Hannover: Unvorsichtig leben

Erich Maria Remarque «Die Nacht von Lissabon»

Theater heute - Logo

Wenn Individualgeschichte durch alle Verwerfungen und Leiden hindurchgegangen ist, gerinnt sie zum Schlagwort fürs Fachwörterbuch: «Postnomadische Traumatisierung aufgrund von Krieg und Verfolgung» steht auf einem Flipchart am Beginn dieses Hannoveraner Abends. Man nähert sich Remarques Flüchtlingsgeschichte «Die Nacht von Lissabon» im fiktiven Rahmen einer Vorlesung für den Fachbereich «Psychologie, Wintersemester 2016/2017». Betont hemdsärmelig betritt Silvester von Hösslin als Dozent den Saal: «Wie Sie wissen, hasse ich diese Abendseminare.

Besonders wenn sie so vollgestopft sind mit älteren Gasthörern.» Befreiendes Lachen. Das soll ja zur Traumabewältigung taugen.

Das Intro ist strukturell nicht unbedingt notwendig; auf die hier angelegte Rahmensituation der Universitätsvorlesung kommt die Inszenierung nicht mehr zurück. Aber atmosphärisch gibt die Lockerungsübung doch eine Richtung vor. Wie in seinem ersten Auftritt als Dozent hält Silvester von Hösslin als Solist auch im weiteren Verlauf eine schützende Distanz zum Gegenstand, wenn er in ruhigen erzählerischen Bögen die Geschichte des aus Nazi-Deutschland geflüchteten Josef Schwarz nachzeichnet. Mitunter lässt er die ...

Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo

Sie sind bereits Abonnent von Theater heute? Loggen Sie sich hier ein
  • Alle Theater-heute-Artikel online lesen
  • Zugang zur Theater-heute-App und zum ePaper
  • Lesegenuss auf allen Endgeräten
  • Zugang zum Onlinearchiv von Theater heute

Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Digital-Abo testen

Theater heute Mai 2017
Rubrik: Chronik, Seite 65
von Christian Rakow

Weitere Beiträge
Zurück zur Unschuld

Es ist ja eigentlich nicht die Zeit der Chöre. Das Marschieren im Gleichschritt, das gemeinsame Intonieren, das Skandieren der Parolen sind uns fremd geworden. Pegida-Trupps auf Marktplätzen oder Ultras im Fußballstadion haben eigentlich den Touch des Fossilen. Das Gros der politischen Demonstrationen ist ein heterogenes Get-together von pragmatisch gestimmten...

Bonn: Solang die Kohle stimmt

Der hardboiled detective ist per se ein Zwischenweltler: fast auf der Seite des Gesetzes, aber nicht ganz, sonst wäre er Polizist; fast ein Frauenschwarm, würde er den Ladies nicht mit allzu deutlicher Verachtung begegnen; fast ein Held, fast erfolgreich, fast vertrauenswürdig. Damit ist der hartgesottene Privatermittler der Pulpliteratur, des Comics und des Film...

Kein richtiger Beruf

Im Laufe meiner etwa zwanzigjährigen Tätigkeit als Dramaturg an Theatern in Zürich, Basel, Bremen und Berlin gehörte zu meinen Aufgaben, Schülern das Berufsbild des Dramaturgen zu beschreiben. Doch sehr oft wurde mir sogar von Theaterkollegen entgegengehalten, dass ich gar keinen «richtigen» Beruf hätte. Meine Aufgabe als «Dramadurch» (ich komme aus Hessen) sei ja...