Hannover: Aus der Mackerschmiede

Molière «Tartuffe»

Was ist dieser Tartuffe für einer? Ein Sektenguru, der einen Vater seiner Familie entfremdet, indem er gottgefällige Gebote ausspricht. Vielleicht sogar die Inkarnation eines ziemlich trendigen asketischen Zeitgeistes: gegen Rauchen, Trinken, Laisser-faire. Und hintenrum natürlich durch und durch verlogen. Wie die meisten Reinheitsapostel.

Bei Martin Laberenz in Hannover ist er zunächst einmal der Gegenstand eines Sprachspiels.

Lisa Natalie Arnold als Dienstmädchen Dorine kaut und krächzt und trällert und zungenkullert den Namen «Tartüüüüffe» minutenlang an der Rampe hin und her. Es wirkt, als solle mit diesen Vokal-Etüden Raum für einen möglichst vielstimmigen, vielschichtigen Zugang zum Molière­schen Protagonisten geschaffen werden. Aber gefehlt.

Das Haus des Bürgers Orgon, der sich dem Wanderprediger Tartuffe an den Hals geworfen hat und ihm bald auch Tochter und Besitz vermachen will, ist in Hannover ein hoch aufragender goldener Rundvorhang (Bühne: Volker Hintermeier). Eine Show-Kathedrale. Herein rollt ein alter Mercedes Benz und rutscht gleich mal auf die Stufen, die von der Tortenbühne hinab führen. Die paar Kratzer an seinem Benz dürften Herrn Orgon allerdings kaum den ...

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Theater heute Juni 2017
Rubrik: Chronik, Seite 57
von Christian Rakow

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