Titel TH 6/17 mit Coverbild aus «Grimmige Märchen», Foto: Tanja Dorendorf

Blut ist im Schuh

Herbert Fritsch entzivilisiert die Gebrüder Grimm zu «Grimmige Märchen» am Schauspielhaus Zürich

Wieder am Schauspielhaus Zürich: 16., 28. Juni; www.schauspielhaus.ch

Das Kissen liegt in seiner goldenen Kiste, als hätte der Ellbogen eines Riesen soeben eine Kuhle hinterlassen. Adrett drapiert, ein bisschen grell gemustert und so richtig riesig eben, türmt es sich zu einer Landschaft, so dass acht Menschlein wie Wollmäuse darauf herumturnen können.

Nur darf man sich dieses Ungetüm auf keinen Fall als Ruhekissen vorstellen. Bretthart ist es, und bretthart kommt’s bei Herbert Fritsch im Zürcher Schauspielhaus.

«Grimmige Märchen» sind programmiert, sprich: sagenhafte Stories aus der Sammlung der Brüder Grimm, und von denen die grimmigsten, die sonderbarsten, die unbehaglichsten. Und das Bühnenboxformat – der Regisseur ist wie gewohnt sein kongenialer Bühnenbildner – hat etwas von einer in Richtung Parkett gekippten Goldschachtel. Da gibts kein Rein, da gibts kein Raus, es sei denn, man stürzt von einem Kissenzipfel ganz jämmerlich in eine Höllenspalte.

Den Slapstick mit dem Höllensturz wird der formidable Florian Anderer in diesem mit Slapsticks geradezu übersättigten Spektakel bis zur Neige auskosten. Andere Stelle, anderes Märchen, hetzt Anderer als Geschenkebote zwischen Braut und Mutter her und hin, immer durch die Kissenkuhle, in der ein ...

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Theater heute Juni 2017
Rubrik: Aufführungen, Seite 6
von Stephan Reuter

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