Glücksfall einer Studie
Lütten Klein ist eines dieser Rostocker Neubauviertel, deren Lage wir Innenstadtkinder bis weit in unsere Schulzeit hinein nie richtig zuordnen konnten. Irgendwo links oder rechts der Stadtautobahn Richtung Warnemünde. Wenn wir in den Jahren nach der Wende mit dem Fahrrad zum Strand nach Warnemünde fuhren, mussten wir zwischen den Plattenbauten von Lütten Klein (oder war es schon Groß Klein?) kräftig in die Pedale treten, um den marodierenden Nazi-Hools zu entkommen, die es irgendwie rochen, wenn Gymnasiasten vulgo «Linke» vulgo «Zecken» unterwegs waren.
So erinnere ich es, und man darf diese Besprechung von Steffen Maus großer soziologischer Studie «Lütten Klein» durchaus mit einer geteilten Erfahrung beginnen. Denn Mau tut es auch. Er sagt «Ich» und «Wir», er blendet zurück in seine Kindheit und Jugend in der DDR der 70er und 80er, gibt Nahansichten des Stadtteils seiner Herkunft gestern und heute, flicht Interviews und Nachwenderecherchen ein und zoomt an jedem Punkt elegant ins soziologische Allgemeine: in eine maßgebliche Bestandsaufnahme der «ostdeutschen Transformationsgesellschaft», wie sie nicht nur in Lütten Klein, sondern allerorten in der Ex-DDR zu finden ist. Es ist der ...
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Theater heute Dezember 2019
Rubrik: Büchermagazin, Seite 46
von Christian Rakow
Nein, keine besonderen Neuigkeiten. Wer sich durch das eindrucksvollste Zahlenwerk zum deutschen Theater, die gerade erschienene Theaterstatistik des Deutschen Bühnenvereins 2017/2018 blättert, sieht auf den ersten Blick business as usual. Keine Abstürze, keine steilen Zuwächse. Der Motor brummt.
Auf den zweiten Blick brummt der Motor immer noch, allerdings...
Am Ursprung von Julius Heinickes Habilitationsschrift «Sorge um das Offene» steht eine Enttäuschung: die Erfahrung, dass die Theater zwar erkennen, wie ihre Konzentration auf ein weißes, bildungsbürgerliches Publikum angesichts einer sich rapide wandelnden Gesellschaft ein Problem darstellt, aus dieser Erkenntnis allerdings keine künstlerisch überzeugenden Schlüsse...
«Ich bin’s», hört man Anita Vulesicas Stimme zunächst aus dem Dunkel, «die mit den zwei Stimmlagen.» Klingt gut – stimmt aber nicht. Tatsächlich sind es mindestens zweihundert Facetten, in denen die Schauspielerin hier mit ureigenem Witz ihre Lebensbetrachtungen in die Karrierestationen des Popstars Madonna hinein verschachtelt. Der Soloabend «Mother», den Vulesica...