Wer steht für was?
Ah, we’re in Europe now!», ruft Nora Chipaumire, «nobody talks!» Oh ja, wir sind in Europa. Mitten in Europa. In Hannover, genau gesagt, einer ziemlich mittelmäßigen Stadt, wie es später in einem anderen Stück heißen wird, beim Festival Theaterformen. Doch erstmal finden wir uns im Boxring einer Künstlerin wieder, die aus Simbabwe stammt und heute in New York City lebt, und die das Publikum ziemlich lautstark angeht – mit einem Schulterpanzer aus dem American Football und Schweißerbrille bewehrt und mit klarem Blick.
Denn Nora Chipaumire moderiert einen Kampf an. Einen Kampf, der sich als Ringen ihrer selbst mit einem Wiedergänger ihres Vaters entpuppen wird, und damit auch mit der Konstruktion des «schwarzen Mannes». Herausgefordert wird dabei aber auch die zuschauende weiße, mitteleuropäische Menschheit.
Nora Chipaumire: im Boxring der Identitäten
Denn beim Festival Theaterformen, das alternierend in Braunschweig und Hannover stattfindet, wird dieses Europa gleich in einer ganzen Reihe von Produktionen angesprochen und befragt – sei es als Gegenspieler der «Zweiten Welt», als Sehnsuchtsort und Fluchtpunkt, als Wertemaßstab für Identitätszuschreibungen wie bei Chipaumire oder ...
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Theater heute August/September 2017
Rubrik: Festivals, Seite 6
von Esther Boldt
In diesem Jahr erschien endlich auf Deutsch Miroslav Krlezas Mammutroman «Die Fahnen», der auf über 3000 Seiten und am Beispiel Kroatiens minutiös und detailreich ein Panorama der geistesgeschichtlichen und politischen Situation Europas zu Beginn des 20. Jahrhunderts zeichnet. Kurz und bündig ist die eben nicht zu erzählen, vor allem nicht, wenn es um die...
Hauke behängt den bunten Plastiktisch mit schwarzem Tuch. Er stellt rot glimmende Grablichter auf, ein Kruzifix in die Ecke und eine Flasche Korn auf den Tisch. Heute ist ein Trauertag, denn vor zwei Jahren ist Ännie verschwunden. Und dieser will mit Würde begangen werden. Oder? Wir befinden uns in einer verramschten Kneipe in einer namenlosen Stadt, dort, wo die...
Es ist so puuuh, so äääh, geradezu uaargh: ein Bruderkuss, feindliche Soldaten reichen sich die Hände, Liebe und Versöhnung zum Finale. Der Schluss von Maria Milisavljevics «Beben» lässt einen sprachlos zurück ob seiner unverschämten Naivität – und gerade damit gelingt der Autorin ein Volltreffer. Milisavljevic hat nicht etwa ein Feelgood-Movie für die Bühne...