Festival: Grelle Nischen
Kaum ist man auf dem Friedhof Père Lachaise angekommen, kaum hat man sich, vorbei an einem leise plätschernden Brunnen, dem Grab von Jim Morrison genähert, tritt einem schon ein Mann mit Bauchladen entgegen. Er bietet Kerzen, Fotos und Jim-Morrison-Feuerzeuge – händisch mit einem Papier-Konterfei des 1971 verstorbenen «The Doors»-Sänger umklebt – zum Kauf. Einige Kerzen fackeln bereits am Grabstein, und bereitwillig zahlt man den überteuerten Preis und reiht sich ein in eine ferngesteuerte Gedenk- und Kultminute. Das Grab von Oscar Wilde liegt nur ein paar Schritte entfernt.
Doch dort ist nur noch Zeit für ein schnelles Foto, dann geht es weiter.
Der Reiseleiter, ein schlaksiger junger Mann mit hellgelbem T-Shirt, ruft zum Aufbruch. Schließlich warten noch einige Stationen auf dieser besonderen Reise, die das Wiener Performance-Kollektiv God’s Entertainment im Rahmen des Live-Art-Festivals auf Kampnagel ausgerichtet hat. Sarajevo, Prag und New York und Burkina Faso (an diesem Abend wird der Europa-Begriff recht weit gefasst) hat man da schon absolviert. Amsterdam, Barcelona, Rom, Venedig, Palmyra und Wien werden folgen. Überall warten detailreiche Arrangements – wild umwachsene ...
Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo
Sie sind bereits Abonnent von Theater heute? Loggen Sie sich hier ein

- Alle Theater-heute-Artikel online lesen
- Zugang zur Theater-heute-App und zum ePaper
- Lesegenuss auf allen Endgeräten
- Zugang zum Onlinearchiv von Theater heute
Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Theater heute August/September 2020
Rubrik: Magazin, Seite 69
von Katrin Ullmann
Es tut mir leid, ich bin zu müde, um die Performance heute Nacht zu spielen. Ich habe dafür keine Energie mehr», sagt Tim Etchells einmal. Und kurz merkt man am Bildschirm auf: Hallo, was ist das? Streckt der jetzt die Waffen und wirft hin? Die Online-Performance hatte sich bis zu diesem Moment in einer erlesenen Schluffigkeit präsentiert: Etchells hockt vor seinem...
«Die Zeit friert», schreibt Aglaja Veteranyi («Wörter statt Möbel», «Der gesunde Menschenversand», 2018). Die Tage ziehen sich in die Länge, sind doch viel zu kurz und fließen ineinander. Wer weiß schon, ob heute Montag ist oder Dienstag? So vieles Gewohntes gibt es plötzlich nicht mehr zu tun, so vieles Ungewohntes gibt es plötzlich zu tun.
Ein Stapel Bücher will...
Eva Behrendt In der Münchner Fassung ist der Chor verschwunden. Welche Funktion hat er in «WUNDE R»?
Enis Maci Die Gemeinschaft von Ichs, die sich im Wohnzimmer der Derwischin Hatixhe versammeln, einer tatsächlichen Pilgerinnenstätte in Tirana, ist eine heterodoxe. Da sind undogmatische Glaubenspraxen, eine gewisse Planlosigkeit. Das Gemeinsam-Sein, das man dort...