Foto: Patryk Witt

Ferngesteuerter Widerstand

Das Berliner Zentrum für politische Schönheit reist in die bayerische Diaspora und begegnet grantelnden Journalisten und staatlicher Liberalitas Bavarica

Theater heute - Logo

Nein, das muss auch Philipp Ruch, der notorisch rußgeschwärzte Chefagitator des Zentrums für politische Schönheit, zugeben, die Jugend von heute, selbst die bayerische, ist besser als ihr Ruf. Die Nachfrage nach professionell organisiertem Widerstand scheint groß.

Bereits am ersten Tag des ominösen «Scholl-2017-Schülerwettbewerbs», zu dem das Berliner Kunstaktivistenkollektiv im Verbund mit den Münchner Kammerspielen und einem bis dato unbekannten «Bayerischen Staatsministerium für Bildung, Kultur und Demokratie» aufruft, sollen sich 30 Freiwillige im Zielgruppenalter zwischen 14 und 24 gemeldet haben, die darauf brennen, vermeintlich auf Staatskosten in eine Diktatur ihrer Wahl zu reisen, um dort regimekritische Flugblätter zu verteilen. Schließlich winken, abgesehen vom moralischen Mehrwert, Preise wie ein iPad, eine Kulturreise nach Auschwitz, diverse Netflix-Abos und 23 Fidget Spinner.

Eine 60-seitige Hochglanzbroschüre mit Arbeitsmaterialien für den Geschichtsunterricht, ein ansprechend gestalteter Internetauftritt und ein seifiger Werbe-Videoclip, allesamt mit sorgfältig gefälschtem bayerischen Staats-Logo, rufen zum Reenactment der Taten der Weißen Rose in aktuellem ...

Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo

Sie sind bereits Abonnent von Theater heute? Loggen Sie sich hier ein
  • Alle Theater-heute-Artikel online lesen
  • Zugang zur Theater-heute-App und zum ePaper
  • Lesegenuss auf allen Endgeräten
  • Zugang zum Onlinearchiv von Theater heute

Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Digital-Abo testen

Theater heute August/September 2017
Rubrik: Magazin, Seite 69
von Silvia Stammen

Weitere Beiträge
Im Hafen einer globalen Ästhetik

Vor nicht allzu langer Zeit missverstand ein Theatermacher Hamburg fatal als maritim geprägte Stadt. Friedrich Schirmer eröffnete seine Intendanz 2005 am Hamburger Schauspielhaus, indem er der Stadt eine eigenartige Hafenpoesie überstülpte: Er verpasste seinem Theater einen lächerlichen Delfin als Logo, ließ Igor Bauersima Homers «Odyssee» zu einem grauenhaften...

Berlin: Liederbuch des Monströsen

Ganz zum Schluss erwischt er einen dann doch noch, der Moment emotionaler Überwältigung. Ein Distanzverlust, der die Kontrolle der körperlichen Reaktionen vorübergehend dem vegetativen Nervensystem überlässt – Gänsehaut. Denn auf der Bühne ereignet sich ein Temperatursturz: Der gerade noch ausgesprochen lebendige Chor steht jetzt still in fahlem Licht, die Menschen...

Hamburg: Im Glaskasten der Diversität

Hannah (Carlotta Freyer) hat verstanden, wie der Hase läuft. «Du denkst, du hörst die Nachrichten», erklärt sie, «aber was du hörst, ist ein Echo!» Wir sind gefangen in Filterblasen, in denen die eigene Meinung wieder und wieder bestätigt wird, bis wir glauben, eine allgemein gültige Position zu hören. Bühnenbildnerin Katja Eichbaum hat für diese Echokammer ein...