«Beben» in Heidelberg. Foto: Annemone Taake
Den Lauf der Welt verrückt
Es ist so puuuh, so äääh, geradezu uaargh: ein Bruderkuss, feindliche Soldaten reichen sich die Hände, Liebe und Versöhnung zum Finale. Der Schluss von Maria Milisavljevics «Beben» lässt einen sprachlos zurück ob seiner unverschämten Naivität – und gerade damit gelingt der Autorin ein Volltreffer. Milisavljevic hat nicht etwa ein Feelgood-Movie für die Bühne verfasst, daran hätte kein Mangel geherrscht.
Das Provokante ist, dass die 1982 geborene Dramatikerin über anderthalb Stunden eine erwartungs- und generationengemäß abgeklärte, dystopische Gegenwartsdiagnose entwickelt. Dass sie das ganze schöne menschengemachte Inferno dann aber in eine Utopie in Reinform münden lässt.
Dieser Schluss war eine Entscheidung gegen eigene innere Widerstände, erzählt Milisavljevic bei Kaffee und Brezen in ihrer Wohnung in Berlin. Bequemer und zeitgeistiger wäre natürlich gewesen, Plot und Figuren im Sinne des gängigen Wir-können-doch-eh-nichts-ändern in einer Gewaltspirale untergehen zu lassen. Dagegen setzt die Autorin aber, fast versteckt in der Textflut, die Figur einer Mutter, die dem Mörder ihres Kindes die Hand reicht. So etwas ist nicht vorgesehen. Und im Stück wirft es das ganze ...
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Theater heute August/September 2017
Rubrik: Das Stück, Seite 36
von Cornelia Fiedler
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