Die Puppe – Kunstfigur, Ichfigur
Nach ihren zwei ersten Theaterstücken veröffentlichte Elfriede Jelinek im Jahr 1983 in der Zeitschrift «Theater heute» eine kernige Absage an das Theater heute, mit der sie rücksichtslos an dessen Grundfesten rüttelt. Ihr Text «Ich möchte seicht sein» erzeugte bei den Bühnen schnell eine gewisse Gereiztheit.
Denn für die Betroffenen, Regisseure, Schauspieler, klangen Sätze wie diese höchst verächtlich: «Wenn der Herr Regisseur in die Ewigkeit hineingreift und etwas Zappelndes herausholt, dann ermordet er alles, was war, und seine Inszenierung, die doch ihrerseits auf Wiederholung gegründet ist, wird zum Einzigen, das sein kann.» Oder gar gefährlich: «Wie entfernen wir diese Schmutzflecken Schauspieler aus dem Theater?» Worauf sie einschlug, ließe sich vielleicht mit dem Begriff «Burgtheater» auf einen Nenner bringen; ihr folgendes Theaterstück von 1985 trug diesen Titel, und sein Wahnwitz führt die Quint -essenz des Traktats vor Augen: «Ich will keinen sakralen Geschmack von Göttlichem zum Lebenerwecken auf der Bühne haben. Ich will kein Theater».
Als Überzeugungsarbeit für ihre Schauspiele lieferte die Attacke spitze Stolpersteine. Die zuständigen Kontaktpersonen in der ...
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Theater heute Mai 2022
Rubrik: Essay, Seite 42
von Ute Nyssen
Bemerkenswerter Alltag
Karin Henkel inszeniert «Richard The Kid & The King», Deutsches Schauspielhaus Hamburg
Es gibt Inszenierungen, die laut darum betteln, zum Theatertreffen eingeladen zu werden. Meist sind das Abende an Metropolenhäusern, mit großem (und teurem) Bühnenbild, stark (und gerne mit Gästen) besetzt, mit einer Regiehandschrift, die einerseits...
Der Pfauen, der traditionelle Theaterraum des Schauspielhaus Zürich, liegt am Heimplatz. Aber der gehört dem Verkehr, nicht den Passanten – korrekter wäre Heimkreuzung. Nach der Vorstellung steht man eng auf dem Trottoir an der Straße, wie der Bürgersteig auch in der Schweiz heißt. Und nach vier Stunden hat man schon einmal Bedarf zum Rumstehen, so lange ging die...
Da ist es also, das trojanische Pferd. Herein -gerollt durch Bühnennebel, riesig, hölzern. Auf den letzten paar Metern gelingt ihm, was das Stück zuvor kaum fertigbrachte: die Weite des Bockenheimer Depots zu füllen, und sei es auch nur physisch. Bespielt wird die übergroße Pointe im Übrigen nicht, aber was soll’s: Hier zeigen die Gewerke, hier zeigt das Theater...