Die menschliche Stimme
Quietschgelbes, unscharfes Bildwabern. Ein junger Mann hängt sichtlich gereizt bis reichlich hysterisch in einer Hängelampe und scheint zu telefonieren. Bald wird es ihm dort oben zu unbequem, und er wälzt sich auf dem ebenfalls badeentengelben Boden. Dann verstellt er seine Stimme, wickelt sich in eine Decke, die ihm offenbar zur Zwangsjacke wird, spricht sich die andere Hälfte seines Telefondialogs selbst zu.
Wird hier gerade jemand von seiner Einbildungskraft übermannt? Oder nur ein kleiner subjektzerrissener Kafka-Anfall? Später kommt eine Frau ins Bild in einem hellen Ganzkörperanzug. Sie steckt unerreichbar in Folie oder einer Art körperhoher Klarsichttasche und guckt streng über den kauernden jungen Mann hinweg in die Ferne. Die abstrakte Situation wird noch ein bisschen abstrakter. Der junge Mann, es handelt sich um «C», erzählt jetzt in der dritten Person von sich, was er gerade macht. Gleich darauf pöbelt er wieder herum und tobt. Schließlich hängt die Frau supercool mit Sonnenbrille in einem Sessel, der Text schleift wieder in den Anfang, sprich Existenzgefängnis, dann steht sie auf dem Kopf: «Ich bleib mal liegen.»
Nach einer guten Stunde geht das Bedeutungsbodenturnen ...
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Theater heute April 2021
Rubrik: Aufführungen, Seite 48
von Franz Wille
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