Der schlimmste Tag seit dem Holocaust

Der Schock des 7. Oktobers in Tel Aviv und das Schicksal von Yahav Wiener, Shaylee Atary und Tom Godo

Theater heute - Logo

Ich schreibe diese Zeilen am 10. Tag nach dem unfassbaren Blutbad um den Gazastreifen vom 7. Oktober. Alle Theater sind jetzt geschlossen. Zwei wichtige Premieren zum Saisonstart wurden auf ungewisse Zeit verschoben. Schauspieler wurden einberufen, und die Leute in Tel Aviv pferchen sich abends lieber in ihre geschützten Räume, denn das ist die Lieblingszeit der Hamas, um Tel Aviv mit Raketen zu beschießen. Mein Büro inmitten unseres Stockwerks liegt glücklicherweise ausgerechnet in so einem Schutzraum. Mir droht eher unterwegs Gefahr, auf der Heimfahrt.

Aber auch da sind die Sicherheitsmaßnahmen im Fall des Alarms längst Routine: Das Auto langsam an die Straßenseite fahren, mich möglichst weit weg davon hinlegen, den Kopf mit den Armen bedecken, zehn Minuten nach dem Abfangknall, der ungefähr anderthalb Minuten nach dem Alarmsignal ertönt, einfach weiterfahren.

Andere Kollegen haben mehr durchgemacht. Yahav Wiener und Shaylee Atary, ein Schauspielerpaar, lebte im Kibbuz Kfar-Aza. Am unheilvollen Samstag um 7 Uhr früh hörten sie Geschrei auf Aarabisch auf der Straße neben dem Schutzraum, in den sie sich mit ihrem einmonatigen Baby nach dem allgemeinen Alarm begeben hatten. Eine ...

Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo

Sie sind bereits Abonnent von Theater heute? Loggen Sie sich hier ein
  • Alle Theater-heute-Artikel online lesen
  • Zugang zur Theater-heute-App und zum ePaper
  • Lesegenuss auf allen Endgeräten
  • Zugang zum Onlinearchiv von Theater heute

Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Digital-Abo testen

Theater heute November 2023
Rubrik: Magazin, Seite 69
von Avishai Milstein

Weitere Beiträge
Unausweichlicher Zerfall

Der Krieg findet ganz in der Nähe statt», erklärt Gintaras Grajauskas, der Künstlerische Direktor des Dramatheaters in der Hafenstadt Klaipeda. «Die baltischen Länder, die von der Sowjetunion besetzt waren, sind sich des aggressiven russischen Imperialismus sehr wohl bewusst und wissen, dass der Krieg jederzeit auf ganz Europa übergreifen kann.» Dieser fragilen...

Die Kehrseite der Moderne

Eines haben die schwedische Akademie und Jon Fosse auf jeden Fall gemeinsam: Sie lassen sich Zeit. Die Ehrung mit dem Literaturnobelpreis erfährt der norwegische Dramatiker und Prosa-Autor gut zwanzig Jahre nach seiner Hochkonjunktur nicht nur auf den deutschsprachigen Bühnen Ende der 1990er, Anfang der Nuller Jahre. Zwischen 2000 und 2006 verging keine Spielzeit...

Zeitlos morbide

Was wäre eigentlich gegen sparsame Zeitgenossen einzuwenden, die ihr Geld zusammenhalten und verhindern, dass die Kinder es sinnlos verschleudern? Wäre der barocke Raffzahn Harpagon doch einfach nur das. Der auf den eigenen Vorteil bedachte Geldjunkie möchte jedoch den Sugardaddy spielen, um an eine wesentlich jüngere Frau ranzukommen. Mariane allerdings, so heißt...