Den Sumpf trockenlegen
Man muss sich die Bilder nochmal vor Augen halten: Jahrelang stand an Montagen «das Volk» zu Tausenden auf diesem Platz zwischen Semperoper, Zwinger und Elbe und skandierte rechte Parolen, putschte sich selber in seinem Fremdenhass auf, schürte Angst, schwenkte Fahnen und schmähte alles, was seiner Ansicht nach nicht (richtig) deutsch ist. Pegida und dann die AfD hatten in Dresden den architektonisch einzigartigen Theaterplatz fest im Griff. Immer wieder kam es hier zu einer grotesken Konfrontation von alter Kultur und reaktionärem Gegröle.
König Johann von seinem Denkmalsockel schaute betrübt und hilflos dem dumpfen Treiben zu.
Und jetzt: «Die Bühne ist ein freier Platz in hellem Licht.» Das steht als eine Art Regieanweisung ganz am Anfang von Peter Handkes «Die Stunde da wir nichts voneinander wussten», das die Dresdner Bürgerbühne unter freiem Himmel aufführt. Wir sitzen auf Klappstühlen im Schatten der Oper und vor uns der Platz, der nun zur Bühne wird: Vereinzelt kommen Menschen aus verschiedenen Richtungen, queren das weite Feld. Sie sind zunächst nicht zu unterscheiden von den Touristen, die sich hier tummeln und die langsam verunsichert das Geschehen beobachten, das ...
Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo
Sie sind bereits Abonnent von Theater heute? Loggen Sie sich hier ein
- Alle Theater-heute-Artikel online lesen
- Zugang zur Theater-heute-App und zum ePaper
- Lesegenuss auf allen Endgeräten
- Zugang zum Onlinearchiv von Theater heute
Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen
Theater heute August/September 2017
Rubrik: Magazin, Seite 71
von Bernd Noack
Ganz zum Schluss erwischt er einen dann doch noch, der Moment emotionaler Überwältigung. Ein Distanzverlust, der die Kontrolle der körperlichen Reaktionen vorübergehend dem vegetativen Nervensystem überlässt – Gänsehaut. Denn auf der Bühne ereignet sich ein Temperatursturz: Der gerade noch ausgesprochen lebendige Chor steht jetzt still in fahlem Licht, die Menschen...
Eigentlich hatte sich die Teenagerin Emma für ein romantisches Date in der Eissporthalle präpariert. Nur leider fällt dem Date-Partner, «Peter aus der Zehnten», nichts Besseres ein, als abendfüllend auf die Leichenberge zu verweisen, die noch immer irgendwo unter dem Eis liegen: späte Opfer des Ceausescu-Regimes, die während der Aufstände Ende 1989 vom rumänischen...
Ah, we’re in Europe now!», ruft Nora Chipaumire, «nobody talks!» Oh ja, wir sind in Europa. Mitten in Europa. In Hannover, genau gesagt, einer ziemlich mittelmäßigen Stadt, wie es später in einem anderen Stück heißen wird, beim Festival Theaterformen. Doch erstmal finden wir uns im Boxring einer Künstlerin wieder, die aus Simbabwe stammt und heute in New York City...