Das Zeigen der Zeit
Es gibt viel zu erzählen – und endlich darf man es auch wieder in aller Ausführlichkeit! Nachdem mit 3G und medizinischer Maske in München die Reihen wieder gefüllt sind und damit so etwas wie Fast-Normalität im Zuschauerraum eingetreten ist, überbieten sich die Münchner Theater mit ausladenden Zeitbildern in Überlänge und großer Besetzung.
«Effingers» an den Kammerspielen liegen da mit dreieinhalb Stunden Spieldauer noch im unteren Bereich, umfassen dafür aber die längste Erzählspanne mit mehr als einem halben Jahrhundert Berliner Zeitgeschichte von 1878 bis 1933. Das Residenztheater wartet mit zweimal über fünf Stunden auf: zum einen mit Judith Herzbergs Trilogie «Die Träume der Abwesenden», in Szene gesetzt von Stephan Kimmig, in der die Autorin halb autobiografisch die posttraumatischen Lebenslinien einer jüdischen Familie im letzten Drittel des 20. Jahrhunderts verfolgt. Den Rekord aber hält Simon Stone mit seinem fast sechsstündigen Tableau «Unsere Zeit» – so schlicht, so umfassend nennt er sein sehr frei nach Horváth-Motiven (und dessen Romantitel «Ein Kind unserer Zeit») skizziertes Gesellschaftsbild der letzten sechs Jahre, das 2015 mit Merkels Diktum «Wir schaffen das!» ...
Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo
Sie sind bereits Abonnent von Theater heute? Loggen Sie sich hier ein

- Alle Theater-heute-Artikel online lesen
- Zugang zur Theater-heute-App und zum ePaper
- Lesegenuss auf allen Endgeräten
- Zugang zum Onlinearchiv von Theater heute
Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Theater heute November 2021
Rubrik: Aufführungen, Seite 6
von Silvia Stammen
Belästigung, Erniedrigung, Psycho-Spielchen und sexuell übergriffiges Verhalten abseits der Bühne: So lauteten die Vowürfe, mit denen Jan Fabre von einer Gruppe ehemaliger Mitglieder seiner Antwerpener Kompanie Troubleyn in einem offenen Brief konfrontiert wurde, der im belgischen Kunstmagazin «Rekto:Verso» erschien. Unmittelbarer Auslöser des Protestschreibens war...
Noch bevor es richtig losgeht, besteht erhöhter Aktualisierungsbedarf. Sophie Stockinger, später die Darstellerin des jungen Revolutionärs Pawel, entert die Bühne und zitiert feurig einen Aufsatz zur Arbeiterklasse und Arbeiterbewegung im 21. Jahrhundert aus einer 2003 erschienenen Nummer von «Z – Zeitschrift für marxistische Erneuerung». Darin wird Marx zwar sanft...
Es war ein lausiges Leben, das W. führen musste. Kurz war es auch (1780–1824), voller Erniedrigungen, Entbehrungen, bestimmt von Krieg und Gewalt. Und unerfüllter Liebe. Schließlich dann diese Tat, die unentschuldbar, möglicherweise doch erklärbar ist: blinde Eifersucht? Am 21. Juni 1821 ersticht Johann Christian Woyzeck die Witwe Johanna Woost.
«Stich, stich die...