Das Leben, ein Schnittplatz?

Silvio Huonder «Kino»

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So ließe sich ein gepflegter Abend für Architekten an: «Lieber Kino als Essen». Verköstigungen sind gut, doch kalorienfrei ist besser. Leider trifft sich der filmische Geschmack von Aniela und Hugo nicht im Geringsten mit den Vorlieben des Dritten im Bunde: Jannis ist Statiker und Hobby-Cineast mit einem ausgeprägten Sinn für gehobenen Splatter à la Tarantino, Lynch und Scorsese. Und mit Jannis landen die Architektenfreunde statt in kulinarischen Kinogefilden in einem gänzlich unappetitlichen Schocker.

Silvio Huonders fünftes Theaterstück «Kino» ist anspielungsreich untertitelt mit «Das Leben ein Film». Und wenn der Film, um den sich der Abend dreht, ein Schocker ist, sollte es das Leben dann genauso sein? Hugo hat bei seinem neuesten Bauprojekt statische Vorgaben missachtet und drängt nun Jannis dazu, seine Unterlagen stillschweigend abzuzeichnen. Erschwerend kommt hinzu, dass dieser von ihm beruflich abhängig ist. Aniela, die mit Jannis seit vier Jahren liiert ist, aber immer noch getrennt wohnt, will gerade zum zweiten Mal ein Kind der beiden «wegmachen» lassen. Die Filmgourmets sind im realen Leben wenig zimperlich. Vom Schocker bleiben sie jedoch weit entfernt. Allenfalls ...

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Theater heute Juni 2005
Rubrik: Chronik, Seite 41
von Christian Rakow

Vergriffen
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