Breitwandformat im Kollektiv
Braucht eine Geschichte einen Autor? Oder gleich mehrere? Eltern vielleicht, wie ein Kind, Onkel, Tanten, Großmütter, Großväter? «Er hat eine Geschichte zu erzählen – sie schlägt Krach in ihm, sie will raus», ruft einer der Jungs, die sich zu Beginn dieses langen Theatertrips auf der Bühne des Residenztheaters zusammenfinden, alle ganz in Schwarz und mit Büchern und Laptops bewaffnet wie bei einem Schreibworkshop.
Es gibt viel zu bereden – vor allem auch, wie das mit dem Erzählen selbst und über sich selbst eigentlich funktioniert: Wie anfangen?, das ist die erste Hürde, und da kommt einer ins Spiel, der es auch nicht sicher weiß und dennoch den ganzen Abend wie ein väterlicher Freund und geistiger Mentor durchstreift (in Hollywood geht so etwas und in amerikanischen Theaterstücken anscheinend auch): Es ist E. M. Forster (1879–1970), Urheber von beschaulichen Gesellschaftsromanen wie «A Room with a View» oder «Howards End» und sozialisiert im viktorianischen England, in einer Zeit, als Schwulsein noch geächtet und sanktioniert wurde. Forster outete sich nie öffentlich und sorgte dafür, dass sein einziger explizit schwuler Roman «Maurice» erst nach seinem Tod erschien.
Ausgerechne ...
Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo
Sie sind bereits Abonnent von Theater heute? Loggen Sie sich hier ein
- Alle Theater-heute-Artikel online lesen
- Zugang zur Theater-heute-App und zum ePaper
- Lesegenuss auf allen Endgeräten
- Zugang zum Onlinearchiv von Theater heute
Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen
Theater heute März 2022
Rubrik: Aufführungen, Seite 16
von Silvia Stammen
Ein typischer Tag im Leben des Schriftstellers sieht so aus: Er stellt sich den Wecker früh und steht dann trotzdem spät auf, danach schreibt er zu wenig und trinkt zu viel. Gegen Abend kommt seine Freundin, auch sie Schriftstellerin, zum Essen. Wechselseitig lesen sie die tagsüber entstandenen Texte. Er schreibt gerade an einem Stück, das von einem Tag im Leben...
Aus allen Ecken des kleinen, dunklen, nackten Raumes wabert Nebel, während die Waschfrau Wolff in dunklem Rock und großmütterlichem Kopftuch fachgerecht ein Reh ausnimmt. Doch bald ist das Holz alle, obwohl nur wenige Minuten vorher Rentier Krüger seine Ladung mit ordentlichem Rumpeln vor die Tür gekippt bekommen hat. Auf der Bühne sind es nur zwei Meter zum...
Bis eben war alles nachvollziehbar: Existenzangst, Angst vor Einsamkeit, vor Altersarmut, vor dem Bankrott im Lockdown, vor Heidi Klum, vor dem Tod – man kennt die Sorgen, die das schwarz gekleidete Ensemble, am hinteren Bühnenrand aufgereiht, aus Interviews mit Bonner Bürger:innen zitiert. Plötzlich ein Satz: «Was haben wir für eine Scheißangst», raunt jemand aus...