Blutrot und dunkel

Shakespeare/Müller «Macbeth» im Schauspielhaus Dresden

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Ganz am Ende entlocken sie dem Macbeth-Stoff tatsächlich noch etwas Neues. Nach gut zweieinhalb Stunden liegt Christian Friedel alias Mac -beth alias Regisseur alias Bandleader im Schoß seiner Mutter (Hannelore Koch), die über die letzten Stunden als Grouch (Programmheft) oder Hekate (Shakespeare/Müller) auf der Bühne zu sehen war. Sie ist damit so etwas wie die Oberhexe und zugleich Teil des griechischen Götter-Pantheons als Titanin für Schwellenmomente. Bei Shakespeare hat sie eine Szene, hier bekommt sie den gesamten Text der drei Hexen bzw.

«weird sisters» und führt Macbeth durch sein Wüten und Verderben, um dann in der Mutterfigur gegen Ende einen Schlussstein zu setzen. Sie und Macbeth sprechen beide die Worte, die eigentlich der Frau von Macduff und ihrem Sohn zustehen, sprechen vom Verrat des Vaters. Hier erstrahlen sie in neuem Glanz auf dunkler Bühne und verfestigen die ohnehin latenten Zirkelschlüsse, denn auch der Tyrannenmord, so Macbeth gleich zweimal, macht die Welt zu keinem besseren Ort. 

Dieser Zirkelschluss ist von Anbeginn angelegt, das Stück startet mit einem einsamen, paranoiden Macbeth auf leerer Bühne, angestrahlt von Scheinwerfern, die an einem fahrbaren ...

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Theater heute 11 2022
Rubrik: Chronik, Seite 54
von Torben Ibs

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