Anklagen und Selbstanklagen
Es ist zu spät», singen die sieben Schauspieler:innen in vollendetem chorischen Wohllaut gleich zu Beginn von «Sonne, los jetzt!», wenn sich der rote Vorhang hinter ihnen schließt. Üblicherweise öffnen sich rote Vorhänge zu Vorstellungsbeginn, in Zürich geht dagegen zunächst abrupt das Licht aus; erst nach Minuten der Dunkelheit erglüht dann doch eine riesige, bald blendend über -helle Sonnenscheibe im Zürcher Schauspielhaus.
Machen Sie sich also keine Hoffnungen, aber bleiben Sie zuversichtlich, senden Nicolas Stemann und sein Ensemble unübersehbar ihre dissonanten Botschaften zu allerletzten Menschheitsfragen.
Elfriede Jelineks «Sonne / Luft» (der Stückabdruck liegt diesem Heft bei), dessen erste Hälfte in Zürich uraufgeführt wurde, betrachtet die Klimakatastrophe von der Sonnenseite – nämlich von der Seite der Sonne. Unter ihr die Erde, die Elemente, die Menschen, denen sie gerne Gutes tut, solange die Dosis stimmt: «Ich bin da, um den Menschen Bräune zu geben. Und danach Schwärze.» In einem rasenden Textsturz arbeitet sich die auktoriale Sonnengöttin durch die finalen Merkwürdigkeiten unter ihr. Alle wissen Bescheid, was kommen wird – und machen doch im Großen und Ganzen ...
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Theater heute Februar 2023
Rubrik: Aufführungen, Seite 14
von Franz Wille
Nein, bitte keine Hommage! Die hätte er sich bitterlich verbeten. Wenn schon, dann eine demütige Demontage, mit Wiedergebrauchsanleitung womöglich ... Ein durchaus ambivalentes Verhältnis unterhalten die Münchner zum seinerzeit frenetisch gefeierten und zu Lebzeiten auch wieder vergessenen Sohn ihrer Stadt Karl Valentin, dem Größen wie Brecht und Beckett ihre...
In Frank Castorfs «Wallenstein»-Inszenierung am Staatsschauspiel Dresden – wir haben bereits das «Lager» verlassen, diversen Soldaten und Marketenderinnen gelauscht und steuern in etwa auf Minute 120 des Siebenstünders zu – erscheint Henriette Hölzel dramatisch stöhnend auf einer Hochebene in Aleksandar Denics Bühnenbild. Mit ausgestellter Geste wischt sie sich...
Die langen Flokati-Zotteln bedecken nicht nur den Boden der kleinen Spielstätte «Globe», sondern auch die Wände, Treppen und Türen. Kackbraun verfilzt, sind sie ein unübersehbares Symbol für unseren Umgang mit der NS-Zeit, die ja bis heute in manchen Bereichen noch «unter den Teppich gekehrt» wird.
Da hat die Bühnenbildnerin Nina Wetzel in der von Marius von...