Allen eine Plattform bieten

Der Bühnenbildner Jonathan Mertz im Gespräch über Teamwork und künstlerische Eigenständigkeit

Eva Behrendt Ihre Bühne für Christopher Rüpings Inszenierung von Jean-Luc Lagarces «Einfach das Ende der Welt» hat einen großen Auf- und ebensolchen Abtritt. Die sterbenskranke Hauptfigur  Louis, die am Schauspielhaus Zürich wie der Protagonist Benjamin Lillie Benjamin heißt, kehrt nach jahrelanger Abwesenheit nach Hause in die Provinz zurück. Auf der Bühne geht Benjamin mit der Handkamera durch ein aufwendig rekonstruiertes Setting, eine detailgetreu eingerichtete Elternhauswohnung.

Danach wird diese von einer Schar von Techniker*innen wieder abgebaut, und die konfliktreiche Begegnung des Künstlers mit seiner Familie findet im leeren Raum statt, mit Blick auf die Kulissenrückseiten. Was ist das für eine Wohnung, und warum muss sie so schnell wieder weichen? 
Jonathan Mertz Diese Wohnung ist das erinnerte Zuhause einer Kindheit, die nicht mehr da ist, aber trotzdem im Raum steht. Wie Lagarce haben wir die eigene Biografie als Anlass genommen für eine Frage, die auch andere Menschen interessieren könnte: Wie tief steckt uns die eigene Sozialisation in den Knochen, und können wir uns davon frei machen? Deshalb bin ich von der Wohnung ausgegangen, in der ich aufgewachsen bin. Ich habe ...

Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo

Sie sind bereits Abonnent von Theater heute? Loggen Sie sich hier ein
  • Alle Theater-heute-Artikel online lesen
  • Zugang zur Theater-heute-App und zum ePaper
  • Lesegenuss auf allen Endgeräten
  • Zugang zum Onlinearchiv von Theater heute

Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Digital-Abo testen

Theater heute August/September 2021
Rubrik: Akteure, Seite 24
von Eva Behrendt

Weitere Beiträge
Die Geisterbahn. Beginn einer Erzählung

Im Nachhinein erscheint es mir seltsam, ja vielleicht sogar verlogen, dass ich selbst nie mit der Geisterbahn gefahren bin. Sie wurde 1998, dem Jahr meiner Matura, in unserem Hinterhof errichtet, der auf allen Seiten von fünf- bis sechsstöckigen Mietshäusern umstanden wird. Ich weiß noch, wie meine Mutter sich über den Lärm der Baumaschinen beklagte. Wochenlang...

Bissl Grunge, viel Koks

Die fettige Langhaarperücke über der hohen Stirn, die Gänge mit freiem Oberkörper in ausgeleierten Shorts, das maulige Muss-wohl-auch-mal-ne-Jeans-Drüberziehen, wenn’s denn sein soll, diese ganze durchweg herabgedimmte Haltung, mit der Joachim Meyerhoff mal hier, mal dort auf der Bühne lungert, da weiß man, selbst wenn man den Roman noch nicht gelesen hat: Wird...

Körper und Worte

«Alles ist vorbereitet für die Gentrifizierung, für den Aufschwung – nur die Protagonisten fehlen» – so beschrieb die in Gelsenkirchen aufgewachsene Theater- und Essayautorin Enis Maci in ihrer Eröffnungsrede die Lage des Ruhrgebiets. An diesem Widerspruch arbeiten sich die Ruhrfestspiele genauso wie die Ruhrtriennale ab: ein Programm für das gegenwärtige Publikum...