Agenten im Harem
Was ist das für ein System, in dem ein 50-jähriger Lichttechniker mit ‹Best Boy› angesprochen wird?», fragte einmal der Filmemacher David Mamet Hollywoods Filmindustrie. Was ist das für ein System, könnte man entsprechend die Städtischen Bühnen fragen, in dem eine 24-jährige Schauspielerin, die nach Abschluss ihres Studiums ihr erstes Engagement antritt, sich «Küken» nennen lassen muss? Das Ensembletheater hat in der freien Szene bekanntlich keinen guten Ruf.
Von uns, die wir bekennend dogmatisch in der Gruppe die wahrhaft zeitgenössische Organisationsstruktur fürs Theatermachen sehen, wird die Konstruktion des Ensembles bestenfalls als eine unhandliche Retorte angesehen, schlimmstenfalls als ein künstlerischer Harem, in dem früher Militärs ihre Mätressen rekrutierten, während dort heute die städtische Wirtschaft ihre kulturelle Ader zeigt und bei Prosecco und Petits Fours auf Tuchfühlung geht. In den Plüschfoyers überwiegt die schwärmerische Überhöhung dieser Struktur, die zumindest in Westdeutschland traditionell noch immer als Garantin kommunaler Identität angesehen wird. «Unser wunderbares Ensemble» zu loben ist beinahe schon Bürgerpflicht, und wenn diese Harmonie zwischen ...
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Theater heute Jahrbuch 2015
Rubrik: Der Ensemble-Konsens, Seite 68
von Veit Sprenger
Das 20. Jahrhundert ist zu Ende, doch an der Last dieses wirren Zeitalters tragen wir noch immer, an seinem Nachlass aus politischen und religiös-fundamentalistischen Ideologien, am Erbe von Kriegen, Revolutionen und Diktaturen, an mörderischer Gewalt und neuen globalen Gefahren. Die Epoche von Verdun und Stalingrad, Auschwitz und Gulag, Hiroshima und Tschernobyl...
Die Welt ist so absurd. 1,1 Millionen Euro jeden Tag in eine zukunftslose Vision zu stecken, die BER heißt, ist ein gigantischer Schildbürgerstreich, der jede Vorstellungskraft übersteigt. Mittlerweile werden darüber nur noch die Schultern gezuckt, und man will nicht weiter daran erinnert werden. Vor diesem Hintergrund ist es merkwürdig, rechtfertigen zu müssen,...
Was für ein furioses Solo: In extrabreitem Wienerisch donnert Stefanie Reinsperger den Bericht eines somalischen Piraten ins Akademietheater, der sich sein solides Handwerk nach dem Scheitern anderer beruflicher Perspektiven auf einer ordentlichen Piratenakademie u.a. mit einem kleinen Stipendium der Studienstiftung des somalischen Volkes angeeignet hat. Der...
