Abgrund der Ernüchterung

Oliver Bukowski «Gäste»

Theater heute - Logo

Geschlossen» signalisieren wuchtig schwarze Lettern auf dem Vorhang. Doch die Drohgebärde gilt, gelegentlich aufflackernden Prophezeiungen zum Trotz, nicht dem liebenswert winzigen Theaterchen mit seinen knapp 300 Plätzen zu Füßen der Heideksburg. Gemeint ist ein ehemaliger Schweinestall, irgendwo in einem gottverlassenen östlichen Landstrich, in Oliver Bukowskis Nachwendedrama «Gäste» mit Fleiß und Mühe zum «Hotel» umfunktioniert.

Zum bitteren Ende wird der Status quo wiederum vermeldet. Und diesmal ist es das Todesurteil.

Keine blühende Landschaft, keine florierende Kneipe, keine besserverdienenden landlufthungrigen Touristenschwärme. Vorbei die Hoffnung, vorbei auch die mit zusammengebissenen Zähnen verteidigte Illusion, der rechte Eifer zahle sich schon aus. Vorbei die sich aller Wirklichkeitserfahrung borniert verweigernde Selbsttäuschung, vor deren zerstörerischem Gift seine zuweilen unbelehrbaren Landsleute immer und immer wieder zu warnen Bukowski nicht müde wird. «Das ist jetzt so, die Unbeweglichen sind gleich mausetot. Wir sind beweglich», beteuert Erich, Hotelier in spe, selbstbewusst seinem zierlichen Frauchen. Welch ein Irrtum.

Doch noch scheint alles möglich. In ...

Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo

Sie sind bereits Abonnent von Theater heute? Loggen Sie sich hier ein
  • Alle Theater-heute-Artikel online lesen
  • Zugang zur Theater-heute-App und zum ePaper
  • Lesegenuss auf allen Endgeräten
  • Zugang zum Onlinearchiv von Theater heute

Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Digital-Abo testen

Theater heute Juni 2005
Rubrik: Chronik, Seite 45
von Erika Stephan

Vergriffen
Weitere Beiträge
Der Boulevard ist nicht blöd

André Jung ist Thorsten Fechner. In zweiter Linie. In erster Linie ist André Jung natürlich Harpagnon, der Geizige von Molière, aber dieser Jungsche Geizige kommt nun in all seinen geldgierigen und triebunterdrückten Äußerungen exakt genau so daher wie der ebenfalls äußerst geizige Thorsten Fechner aus der ARD-Daily-Soap «Marienhof». Außerdem ist «Marienhof» die...

Krieg aus dem Modellbaukasten

Den ganzen Tag über schon hatten sich die Menschen an den Händen gefasst, hatten Lichterketten gebildet und waren bedrückt, gleichwohl befreit vor Gräbern und an Mahnmalen gestanden. Präsidenten beschworen den Frieden, Veteranen gedachten der letzten verhallten Schüsse, das Volk schwenkte Fähnchen: Nie wieder! Der Krieg war 60 Jahre vorbei an diesem Muttertag im...

Ein langer Weg nach Paris

Rudolf Noelte kam aus dem Krieg. Er war früh zurück in Berlin und fand sich im heißen Sommer 1945 in einer zertrümmerten Gegenwart. Vierundzwanzig Jahre war er alt. Bisher Nachrichtentruppe, Leutnant zuletzt, nun berufslos. Er stand vor einer dunklen Zukunft – draußen vor der Tür. Vier Jahre im Krieg: Das gab tiefe Prägungen. Menschenschreckenserlebnisse. Den...