Welttheater

Eine Uraufführung von bleibendem Wert: Marc-André Dalbavies «Le Soulier de satin» im Pariser Palais Garnier, hochkonzentriert dirigiert vom Komponisten, fantasievoll inszeniert von Stanislas Nordey

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Das Stück? Im Grunde unspielbar. Ein Ungetüm mit 50 Personen, in seiner Urgestalt elf Stunden lang, mehr geschichtsphilosophisches Opus summum seines Schöpfers, bis zum Bersten gefüllt mit katholisch grundierter Anschauung und durchdrungen von jenem feu sacré, das auch die anderen Theatertexte Paul Claudels erleuchtet.

«Le Soulier de satin», zwischen 1919 und 1923 entstanden und erst 20 Jahre später, inmitten der Grausamkeiten des Zweiten Weltkriegs, in der Comédie Française beträchtlich gekürzt aus der Taufe gehoben, ist weit mehr eine Abhandlung über die condition humaine als ein theatralisch stringentes Drama, dabei lustvoll in seinen Imaginationen und metaphysisch in seinem universalen Horizont. Kurzum: eine nachgerade herkulische szenische Herausforderung.

Marc-André Dalbavie und seine Librettistin Raphaèle Fleury haben sich erkühnt, den «Seidenen Schuh», der 1987 beim Theaterfestival in Avignon eine spektakuläre (nächtliche) Wiederaufführung erlebte, in ein lustvolles Musiktheater zu verwandeln – wobei: So verwegen ist der Plan gar nicht. Schließlich verfasste Claudel selbst Libretti, etwa für Darius Milhauds «Christophe Colombe» und Arthur Honeggers «Jeanne d’Arc au ...

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Opernwelt Juli 2021
Rubrik: Focus Spezial, Seite 4
von Jürgen Otten

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