«Weißt du, was du sah’st?»
Die Kunst ist bestimmt zu beunruhigen; die Wissenschaft macht sicher», formulierte einst Georges Braque im Hinblick auf die kubistische Malerei. Ähnliches gilt auch für die Erläuterung eines Theatererlebnisses: Während die Versprachlichung etwas rational sicherstellen kann, ist die eigentliche Erfahrung eine sinnliche Beunruhigung.
Was können wir – Kunst Schaffende und Kunst Rezipierende – tun, damit diese Beunruhigung konstruktiv irritiert und nicht nur verstört? Während man bei einer Bildbetrachtung oder Textlektüre Tempo und Unterbrechungen bestimmen kann, ist bei einer Theatervorstellung und – zeitlich noch präziser – bei einer Opernaufführung der Rhythmus vorgegeben: Es gibt keinen metaphorischen Pausenknopf, keine Zeitlupenwiederholung. Wenn ich im Folgenden in Beschreibungen und Erklärungen einige Sinnbezüge herstelle, so im Bewusstsein, dass diese lediglich wie Trabanten um das Zentrum erlebter Sinnlichkeit kreisen. Ästhetik ist schließlich keine rationale Manifestation von Sinn. Seit Stefan Herheims Diplominszenierung (vor zehn Jahren in Hamburg) pendelt jede unserer Regiearbeiten zwischen sicherstellender Analyse und sinnlicher Beunruhigung, schreibt sich in Adornos ...
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Opernwelt Jahrbuch 2009
Rubrik: Aufführung des Jahres, Seite 18
von Alexander Meier-Dörzenbach
Zwei neue Opern prominenter Komponisten wurden im April 2009 innerhalb weniger Tage uraufgeführt: Wolfgang Rihms Monodrama «Proserpina» bei den Schwetzinger Festspielen und Salvatore Sciarrinos «La porta della legge» in Wuppertal. Beide legen ihren knapp eineinviertelstündigen Einaktern Stoffe aus der Weltliteratur zugrunde: Rihm einen ganz auf den inneren...
Oper ist kein Sport. Doch gelten auch in Opernbetrieben selbstverständlich ein paar zivilisatorische Grundregeln, die denen auf einem Bolzplatz vergleichbar sind. Zum Beispiel die, dass es nach einem fetten Foul die rote Karte gibt und dass nicht zwei auf einmal Erster werden können. Eine Besonderheit, die ein Opernhaus von einem Fußballverein unterscheidet, ist...
Der Berliner Komponist Christian Jost beschreibt seine Musik – nicht nur seine Bühnenmusik – gern als «Reise». Die Metapher ist mittlerweile reichlich abgegriffen. Jede zweite Performance wird heute als «Expedition» zu irgendetwas ausgegeben. Bei Jost hat der Begriff jedoch nichts Modisches. Sein Werk ist eine über nahezu zwei Jahrzehnte hin erstaunlich konsequente...