Von der Banalität des Bösen
Das einzig Aufregende an der Stuttgarter Neuinszenierung von Verdis «Otello» hat Hausherr Klaus Zehelein im Programmheft versteckt: seine in Zusammenarbeit mit dem Dramaturgiehospitanten Oliver Müller geschriebene Deutung des Stücks, die Boitos Libretto und Verdis Musik als liturgisches Zeichensystem entziffert, in dem ein symbolisches Geschehen festgeschrieben ist. Das ist zwar nicht gänzlich neu, aber so konsequent und überzeugend hat bisher niemand etwa Jagos blasphemisch-gegenchristliches Credo oder Desdemonas Marien-Gebet als kultische Überhöhung gelesen.
Aus einem Drama der Eifersucht wird in dieser Lesart ein «Hochamt über den Verlust des Glaubens», den des Glaubens an die Liebe wie an die Geliebte.
Leider war von diesem spekulativen Geist auf der Bühne wenig zu spüren, wenn man einmal von der madonnenhaften Goldpuppe absieht, die die Frauen in der Huldigungsszene des zweiten Aktes Desdemona überreichen – Otello zerschmettert sie im ersten Ausbruch der Raserei. Regisseur Martin Kuˇsej hielt sich dagegen umso mehr an das von Zehelein apostrophierte «Theater der Voraussetzungslosigkeit» und den dafür als Kronzeugen bemühten russischen Theaterrevolutionär Vachtangov mit seiner ...
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Eine Musikkomödie als Nationaloper: So etwas gibt es nur in Dänemark. Carl Nielsens «Maskarade» (1906) hat nichts von schwerblütiger nordischer Spätromantik, sondern atmet den graziösen Geist des Settecento, entspricht damit genau dem Sujet, das von dem dänischen Molière Ludvig Holberg stammt. Die vorzügliche Decca-Aufnahme der Oper (1996) unter Ulf Schirmer hat...
Herr Domingo, Sie nehmen in diesen Wochen unter der Leitung von Antonio Pappano den kompletten «Tristan» auf – nach über vierzig Bühnenjahren und fast neunzig Opern-Gesamtaufnahmen. Was treibt einen Sänger, der es sich mit Konzerten und Galas viel leichter machen könnte, zur schwierigsten Partie des gesamten Tenorfachs?
Eben die besondere Herausforderung. Und die...
Ihr sängerisches Alptraumerlebnis hatte Ira Malaniuk 1951 in Bayreuth. Natürlich nicht als Magdalene in den «Meistersingern», für die sie von Wieland Wagner engagiert worden war und auf die sie sich bestens vorbereitet hatte. Sondern mit der «Rheingold»-Fricka, die zwar nicht zu ihrem Repertoire gehörte, die aber als Cover-Partie im Kleingedruckten ihres Vertrages...