Zweibahnstraße
Man muss es nicht so drastisch formulieren wie Gerard Mortier. Der Intendant in Brüssel, Salzburg und jetzt in Paris sah sich und seine Kollegen als Täter: «Jahrelang haben wir so genannten Opernintendanten wie die Vampire frisches Lebensblut gesogen aus der Film- und Schauspielregie.» Nicht immer brachten diese Blutübertragungen den erhofften (Über-)Lebenssaft, aber doch oft einen belebenden Schub. Allerdings hält sich die künstlerische Auffrischung eher in Grenzen. Die meisten Filmregisseure verhalten sich im ungewohnten Genre erstaunlich demütig gegenüber dem Werk.
Und filmische Mittel werden eher selten – und noch seltener geglückt – eingesetzt. In jedem Fall bringt der Prominenzfaktor des Filmregisseurs den Opernhäusern zusätzliche Aufmerksamkeit. Dieser hoch willkommene Nebeneffekt verhalf schon vor zwei, drei Jahrzehnten Filmregisseuren wie John Schlesinger oder Otto Preminger zu Opernehren. Wenn allerdings die Oper von Los Angeles gern vom Vorort Hollywood profitiert, dann hat sie dabei nicht nur Filmemacher wie William Friedkin oder Altstar Maximilian Schell im Auge, sondern auch die Geldbörsen betuchter Film-Tycoons, die als Sponsoren verpflichtet werden sollen. Für den ...
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Das einzig Aufregende an der Stuttgarter Neuinszenierung von Verdis «Otello» hat Hausherr Klaus Zehelein im Programmheft versteckt: seine in Zusammenarbeit mit dem Dramaturgiehospitanten Oliver Müller geschriebene Deutung des Stücks, die Boitos Libretto und Verdis Musik als liturgisches Zeichensystem entziffert, in dem ein symbolisches Geschehen festgeschrieben...
Joseph Merrick, den Elefantenmenschen, hat es gegen Ende des 19. Jahrhunderts wirklich gegeben. Er litt an einer genetisch bedingten Nervenkrankheit, die sein Äußeres derartig entstellte, dass er seinen Lebensunterhalt in den seinerzeit sehr populären Freakshows verdienen musste. Mit siebenundzwanzig Jahren ist er, wahrscheinlich aus freien Stücken, gestorben....
Etwas linkisch steht der junge Mann vor den zumeist älteren Herren, die ihn stumm und kühl anblicken. Es wäre übertrieben, würde man behaupten: Sie mauern. Aber skeptisch sind sie schon. Er redet viel und keineswegs auf den Punkt. Seine Witze, die auflockern wollen, verpuffen, weil ihre Pointen nicht sitzen. Nein, Carlos Kleiber hatte es nicht leicht, als er 1970...