Vom Schlag getroffen
«Wie kriegt man die Empathie wieder in die Köpfe», fragte Stephan Kimmig, der Schauspielregisseur, vor einem halben Jahr in der Wochenzeitung «Die Zeit». Wie aktiviert man das Mitfühlen der Menschen, elementare Emotionen? Vielleicht hat Kimmig, Jahrgang 1959, auch deshalb zur Oper gefunden – Nikolaus Bachler, Münchens Opernchef, hat ihn vom schauspielerischen Potenzial der Oper überzeugt.
Mit Mozarts dramma giocoso geht Kimmig aufs Kunstganze: Zu Beginn der Ouvertüre und auch ganz am Ende steht ein klappriger alter Mann nackt auf der Bühne und zittert wie Espenlaub – Giovannis zerbrochenes Alter Ego oder Metapher der sterbenden Menschheit?
Kimmig will Oper nicht durch Vorherrschaft der Bilder. Er sei kein «Bebilderungsregisseur», sondern einer, der ein Stück über die Figuren konzipiert. So lebt und bebt sein «Don Giovanni» in einer wild trashigen Ausformung des Personals wie des Raums. Bühnenkünstlerin und Ehefrau Katja Haß hat die weit aufgerissene Bühne vollgestellt mit hässlich riesigen Containern, deren Rotation auf der Drehbühne allerlei spielzeughafte Guckkastenaspekte öffnet.
Die Gefühlskonflikte spitzt Kimmig scharf an, zeigt das Personal in keifendem Streit miteinander – ...
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