Virtuose Klarheit

Das Boston Early Music Festival legt Lullys «Thésée» vor

Philippe Quinault war für Jean-Baptiste Lully so etwas wie Da Ponte für Mozart: ein umsichtiger Dichter, der von der Bühne her kam und genau wusste, was ein Libretto braucht und worauf es besser verzichtet, um bei der Zensur durchzugehen und beim Publikum anzukommen.
Quinault und Lully hatten vor ihrer Oper «Thésée», die im Januar 1675 im Schloss von Saint-Germain-en-Laye – westlich von Paris gelegen und zwischen 1661 und 1681 Hauptresidenz von Louis XIV. – uraufgeführt wurde, bereits mehrfach zusammengearbeitet, etwa bei «Cadmus et Hermione» (1673) und «Alceste» (1674).

Wie damals üblich, musste auch das «Thésée»-Libretto der Académie Française zur kritischen Prüfung vorgelegt werden. Es thematisiert einen mythologischen Stoff aus Ovids «Metamorphosen», der – wie häufig bei Quinault – mit aktuellen Geschehnissen seiner Zeit unterfüttert wird. So spielt beispielsweise der Prolog in den Gärten des Schlosses von Versailles. Dort herrscht allgemeine Flaute, da der Hausherr ständig mit seinen Militärs auf Feldzügen unterwegs ist und festliche Veranstaltungen daher keinen Platz auf der Tagesordnung finden. So ziehen sich die Götter in den Wald zurück, um dort ihr eigenes Theater ...

Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo

Sie sind bereits Abonnent von Opernwelt? Loggen Sie sich hier ein
  • Alle Opernwelt-Artikel online lesen
  • Zugang zur Opernwelt-App und zum ePaper
  • Lesegenuss auf allen Endgeräten
  • Zugang zum Onlinearchiv von Opernwelt

Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Digital-Abo testen

Opernwelt August 2007
Rubrik: CDs, Seite 58
von Christoph Vratz

Vergriffen
Weitere Beiträge
Erotisches Mysterium

«Wenn nur meinem Kopf nichts passiert, es sind noch so viele schöne Sachen drin», sagte Rudi Stephan zu seiner Mutter, bevor er sich am 13. September 1915 am Wormser Bahnhof von ihr verabschiedete und sich freiwillig zur Ostfront transportieren ließ. Sechzehn Tage später war er tot, getroffen von der Gewehrkugel eines russischen Soldaten. Mit 28 Jahren war ein...

Schwäbischer Wildwest

Eine merkwürdige, vielfach bestätigte Erfahrung: die Premiere einer Neuinszenierung, endend in einer Schlacht zwischen Buh und Bravo, von den Medien kontrovers kommentiert. Die zweite Vorstellung sodann ungestört, mit ein paar vereinzelten Buhrufen, die sich eher wie ein Accent aigu zur allgemeinen Zustimmung ausnehmen. So jetzt wieder bei der Neuproduktion von...

Alles oder nichts

Frau Dessay, Sie scheinen sich Ihre Bühnenrollen überzuziehen wie eine zweite Haut. Wie sehr identifizieren Sie sich mit ihnen?
Auf der Bühne völlig. Aber sonst sind Bühne und Realität für mich zwei sehr unterschiedliche Welten.
 
Sie nehmen die Figur also nicht mit nach Hause?
Nein, überhaupt nicht. Im Moment, wo ich von der Bühne herunterkomme, bin ich wieder ganz...