Entfesseltes Theater

Bonn, Verdi: Otello

Dem Regisseur Dietrich Hilsdorf ist es gelungen, sich seit mehr als zwei Jahrzehnten den Ruf eines ewig jungen Wilden zu bewahren. Opernwerke wirken auf ihn wie Festungsanlagen. Diese wollen beschossen und danach erstürmt sein. Was danach kommt, präsentiert sich unterschiedlich. Entweder wird die Festung wieder aufgebaut, oder sie wird geschliffen. Dann bleibt vom ursprünglichen Bau nicht mehr viel übrig. Vor dreiundzwanzig Jahren hat Hilsdorf in Gelsenkirchen schon einmal Verdis «Otello» inszeniert. Jetzt also mit gewachsenen Erfahrungen am Theater Bonn.

Wenn der Vorhang hochschnellt, der Sturm im Orchester losbricht, blickt man sozusagen vom Kopfende her ins Schlafgemach Desdemonas, das sich auf einem hohen Podest, als Bühne auf der Bühne, befindet. Von allen Seiten stürmt der Chor auf die Szene, steigt durch Fenster, Türen und andere Öffnungen ins Schlafzimmer, wo Desdemona mit dem Volk ängstlich zum imaginären Meer im Zuschauerraum blickt. Wird sich der geliebte Mann und große Feldherr aus der Seenot retten können? Aus ­einer Luke unterhalb des Podests kriechen einige Arbeitsleute hervor, eilen durchs Parkett zum unsichtbaren Strand (dem Foyer) und schleppen den erschöpften ...

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Opernwelt August 2007
Rubrik: Panorama, Seite 49
von Gerhard Rohde

Vergriffen
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