Verdi: Don Carlo
Die Welt steht Kopf. Der Escorial eine leere Betonruine mit Fenstern wie hohle Augenlöcher, in der Ecke das gesichtslose Tizian-Porträt Kaiser Karls V. Einmal öffnet sich die Rückwand für eine unheimliche Flussaue, und auch nach der Pause ist die Bühne nur scheinbar im Lot. Wo in der Mitte bewegliche gläserne Hänger ein Zentrum markierten, ist nun ein Guckkasten gemauert. Die Menschen zwischen diesen Wänden aber werden zunehmend physisch und psychisch zerrüttet, zerrieben von der Macht des Klerus und von zementierten Konventionen, aber auch vom unstillbaren Verlangen nach Liebe.
Reto Nickler vermeidet in seiner Inszenierung jedes spanische Lokalkolorit und – im Autodafé etwa – auch jeden Realismus. Er macht die Liebe zwischen Elisabetta und Carlo mit viel Fingerspitzengefühl zum Mittelpunkt, stößt aber leider manchmal an die begrenzten schauspielerischen Fähigkeiten seiner Sänger.
Michael Dries als König Philipp bleibt trotz großer, tragender Stimme darstellerisch blass; Gérard Kim verkörpert als Marquis Posa mit balsamischem, fast verführerischem Bariton gleichwohl einen nüchternen Idealisten; und José Luis Ordóñez Saenz überzeugt als Carlos mit tenoralem Schmelz, irritiert jedoch ...
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