Träume(n) in einer grausamen Welt
In Tippetts letzter, in Deutschland noch nie aufgeführter Oper «New Year» (Neujahr) betritt die Anti-Heldin Jo-Ann laut Szenenanweisung die Bühne, «als ob sie von der Gewalt der Klänge draußen hereingeweht» wird. Die brutale, mit elektro-akustischen Effekten und reichlich Schlagwerk angereicherte Musik verebbt und weitet sich zu einer Gesangskantilene. «Safe, safe», «in Sicherheit», singt die Kinderpsychologin, die diesen Beruf gewählt hat, um Waisenkindern, wie sie eines war, helfen zu können.
Vor dem «Sturm da draußen» flüchtet sie sich in ihre Bücher, in ihre Illusionen, in sich selbst. Und sie träumt, gestützt von einfühlsamer Instrumentalbegleitung, in einer lyrischen Episode vom Paradies, das sie vor ihrer Haustür nicht findet, und davon, wie sie wohl die Kraft erlangte, sich der Welt zu stellen. In «New Year», erstmals 1989 an der Houston Grand Opera und 1990 in Glyndebourne gegeben, verbindet Tippett auf ungewöhnliche Weise Elemente des Musicals und der Masque, Musik des technologischen Zeitalters mit den Urformen des musikalischen Dramas. Dramaturgie und Klangcharakter unterscheiden sich erheblich von den vorangegangenen vier Bühnenwerken: «The Midsummer Marriage» ...
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Da hilft kein Fleckenteufel: Am Ende ist das weiße Sofa nicht weniger blutüberströmt als jene, die auf ihm lebten, liebten und starben. Dass Philipp Himmelmann kein Möbelschoner ist, hat er schon in seiner Berliner «Don Carlo»-Inszenierung bewiesen, wo Spanien an, auf und unter einem Esstisch regiert wurde. In der Heimat des Regisseurs muss nun ein Viersitzer dran...
Lucrezia hat keine Chance: Blutschande mit Vater und Brüdern, der Gifttod, den ihre Hand so gern und oft gereicht haben soll – sie ist gerichtet von zahllosen Geschichtsschreibern. Und wenn auch aus Historikersicht wohl an all dem nichts dran ist, so lebt das Ungeheuer Lucrezia Borgia doch fort in unseren Köpfen, kolportiert auch von Victor Hugos Schauspiel und...