Unheilige Mixtur
Einen einzigen Kuss nur, «un sol bacio», wollen die Kerle erhaschen. Und das geht, weil das Entsetzen darüber explodiert, bei Mozart alles andere als gemächlich ab. Hier, im ersten Finale, rast das Bühnenpersonal musikalisch sogar davon – und lässt Vladimir Jurowski mit dem Bayerischen Staatsorchester hinter sich zurück. Kann bei einer Premiere schon mal passieren.
Ist aber bei dieser «Così fan tutte» symptomatisch: Was ist das wohl richtige Tempo? Es muss, auch das lehrt dieser Abend, mit einem innerlich erfühlten, natürlich entwickelten Puls zu tun haben; eine im Doppelsinn organische Angelegenheit also – Werke dieses Komponisten können stets nur als Herzenssache verhandelt werden.
Alles muss sich dabei fügen zur logischen, ineinander verzahnten Tempoarchitektur. Beim ersten Mozart an der Bayerischen Staatsoper unter neuer Leitung erlebt man dagegen ein Gebilde auf wackeligem Fundament. Ein Generalmusikdirektor steht da im Graben, der sich imponierend viele Gedanken über die Partitur gemacht hat. Über Farben und Atmosphären, über notwendige Zuspitzungen, emanzipierte Mittelstimmen und vertikale Strukturen. Doch statt all dies in eine innerlich erfühlte Dramaturgie umzusetzen, ...
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Opernwelt 12 2022
Rubrik: Panorama, Seite 49
von Markus Thiel
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