Überambitioniert
Schmutzige, düstere Schäbigkeit, ein aufgegebenes Hochhaus bietet den Opfern der Geschichte und der zerstörten Natur Unterschlupf. Die Stadt Babylon wurde zerstört, nie wieder soll sie erbaut werden – so zitiert ein «Skorpionmensch», ein Cyborg mit metallenem Stachel, alttestamentarische Propheten zu Beginn der Oper «Babylon» von Jörg Widmann und Peter Sloterdijk.
Nach der Uraufführung an der Bayerischen Staatsoper gönnt sich die Berliner Lindenoper die zweite Produktion des Werks; und damit das nicht ganz so nachgeordnet und zweitrangig klingt, nennt auch sie sich «Uraufführung» – der zweiten, um 20 Minuten gekürzten Fassung nämlich.
Hier sollen die ganz großen Themen gewälzt werden – oder doch nicht? Nach dem düsteren Vorspann beginnt die Handlung entspannt: Eine Frauenstimme namens «Seele» beklagt in einer langen Arie die Trennung von ihrem «liebsten Freund, ihrem Selbst». Der wiederum, Tammu heißt er und ist ein jüdischer Exilant in Babylon, singt in einer ebenfalls ausladenden Arie von seinem Begehren der Liebespriesterin oder -göttin Inanna, die als gackerndes Mädchen im roten knappen Glitzerkleid auftritt. Mit ihr stimmt Tammu ein langes Duett an, das in die Worte «Wo du ...
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Opernwelt Mai 2019
Rubrik: Panorama, Seite 34
von Peter Uehling
«Ein Schiff wird kommen», sang weiland Lale Andersen in Sehnsucht nach dem einen, «den ich so lieb’ wie keinen». Einen solchen erträumt sich ja auch Senta in Wagners «Fliegendem Holländer»; in Aron Stiehls Inszenierung an der Wiener Volksoper kommt er allerdings ohne Schiff, dafür quasi als Wiedergänger von Caspar David Friedrichs Wanderer. Man sieht ihn bereits...
Dass im Musiktheater Alt auf Neu trifft, ist wahrlich keine neue Erfindung. Ob zuletzt in Saarbrücken, bei einer Medea-Symbiose von Werken Luigi Cherubinis und Iannis Xenakis’ (siehe OW 3/2019), oder in Brüssel mit der Wiedererweckung von Frankensteins Monster durch den amerikanischen Komponisten Mark Grey (siehe Seite 37) – überall begegnen uns auf den Bühnen...
Dieses Liebesglück ist vollkommen. Hat zwar ein bisschen gedauert, bis die Schäferin Fillide den Werbungen Amintas nachgab; schließlich galt es – in zehn zähen Da-capo-Arien – die Wahrhaftigkeit seines Ansinnens zu prüfen. Doch jetzt, im abschließenden Duett «Per abbatter il rigore d’un crudel», gibt es kein Halten mehr. Die Augen glänzen, das Herz erzittert. Und...
