Therapeutisch wirksam
Ob die arg dichotomische Teilung in Monogamie und Polygamie schon zu Mozarts Zeiten ein alter Hut war? Mit seiner Musik jedenfalls meidet der Experte in Liebesdingen jegliches Moralisieren. Die Duette der offiziell falschen Paare im zweiten Akt dieser «Schule der Liebenden» sind von so berückender Intimität und echter Zartheit, dass die Romantik der ewigen Liebe von der Realität der spontanen Erotik kaum mehr zu scheiden ist.
Das Kunstwort der «Polyamorie», die in Alfonsos und Despinas Zentrum für paartherapeutische Intervention als «neue Treue» angepriesen wird, sucht Mozarts Liebeskonzept der Aufklärung nun direkt ins 21. Jahrhundert zu übertragen.
Das klappt in Martin G. Bergers Inszenierung erstaunlich gut, nicht nur, weil er dadurch die sonst immer etwas peinlich unglaubwürdige Verkleidungsklamotte meidet. Derlei bemühter Zauber weicht an der Staatsoper Hannover einer anderen Verwandlung: Hier fallen alle Hüllen. Schließlich spielen die antrainierten Beziehungsbilder textilfrei kaum mehr eine Rolle. Darum stellen Despina und Alfonso ihre Patienten vor die Frage: Erkennen die Paare sich mit verbundenen Augen und gerade so, wie Gott sie schuf, überhaupt noch wieder? Mitnichten. ...
Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo
Sie sind bereits Abonnent von Opernwelt? Loggen Sie sich hier ein

- Alle Opernwelt-Artikel online lesen
- Zugang zur Opernwelt-App und zum ePaper
- Lesegenuss auf allen Endgeräten
- Zugang zum Onlinearchiv von Opernwelt
Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Opernwelt August 2021
Rubrik: Panorama, Seite 40
von Peter Krause
Nachgerade undenkbar wäre die französische Barockszene ohne die vielen freien Ensembles, die sich oft um einen Dirigenten scharen, der als starke Gründerfigur fungiert. Als jüngster Zuwachs in der Reihe darf der 1996 geborene Valentin Tournet gelten, der 2017 mit «La Chapelle Harmonique» sein eigenes Orchester und seinen eigenen Chor gegründet hat. Im Alter von...
Seit seinem Operndebüt mit Mozarts «Titus» 1994 an der Staatsoper Stuttgart gehört Jossi Wieler zu den profiliertesten Regisseuren des Musiktheaters. Der gebürtige Schweizer ist in vieler Hinsicht ein Solitär. Wie die meisten Kollegen seiner Generation hat auch er im Schauspiel begonnen, das Worttheater mit den ungleich schwierigeren Anforderungen aber niemals...
Leserinnen und Leser der «Opernwelt» werden sich des Frankfurter Kritikers Hans-Klaus Jungheinrich erinnern. Wobei die Stadt keineswegs unerheblich ist. Denn Jungheinrich, auch der Autor, stand für eine Art Frankfurter Schule der Musik-Publizistik in der Nachfolge der «Kritischen Theorie» mit ihrem Haupt-Exponenten Theodor W. Adorno, der für den Diskurs der Moderne...