Rausch der Trugbilder
Franz Schrekers 1912 uraufgeführte Oper «Der ferne Klang», in der der Komponist Fritz auf der Suche nach dem «rätselhaft weltfernen Klang» seine Geliebte Grete verlässt, das Leben versäumt und die Liebe verspielt, ist ein Schlüsselwerk des Fin de Siècle. Schreker hat in das selbstgedichtete Libretto alles gepackt, was im Wien der Jahrhundertwende aktuell war – den Symbolismus des jungen Hofmannsthal, die laszive Jugendstilmalerei Klimts, die Sexualpathologie Weiningers, nicht zuletzt die Entdeckung des Unbewussten durch Freud.
Was den «Fernen Klang» zu einem bedeutenden Schwellenwerk macht, ist allerdings nicht Schrekers eklektische Poesie, sondern der erotisierende Rausch der Musik. Die opulente, unerhört farbenreiche, allerdings auch zur Überinstrumentierung neigende Orchesterpalette kommentiert die Handlung nicht illustrierend, sondern entziffert die komplexe Psyche des Protagonistenpaares, das «innere Klingen» des von seinem halluzinatorischen Trugbild getriebenen Fritz und die psychotische Persönlichkeitsspaltung Gretes mit geradezu kontrapunktischer Logik.
Dan Ettinger hat dieses phantasmagorische Moment von Schrekers Partitur, die auch Anleihen beim italienischen Verismo, ja ...
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Opernwelt September/Oktober 2015
Rubrik: Im Focus, Seite 30
von Uwe Schweikert
Man sagt ja, Kriminelle kehren immer an den Ort ihres Verbrechens zurück. Wie jemand so blöd sein kann, war mir zwar immer schleierhaft. Aber es stimmt. Gilt auch für mich. Das muss ich jetzt einsehen. Offenbar ist mein krimineller Instinkt bloß ein bisschen lahm – ich habe mir 24 Jahre Zeit gelassen, bevor ich wieder in Aix aufschlug.
Als wir 1991 mit Brittens...
Während des Finales des diesjährigen Belvedere Wettbewerbs, das nach 2013 zum zweiten Mal in Amsterdam ausgetragen wurde, dachten wir an Anselm Gerhards «Einspruch aus dem Elfenbeintrum» im Juli-Heft und seine Forderung nach expressivem, wenn nötig hässlichem Gesang. Freilich, was unter Donizetti und Verdi als hässlich galt, ginge heute vermutlich als schön...
Herr Tomlinson, eine Ihrer überragenden Rollen war Hagen in Wagners «Götterdämmerung». Warum gerade ein solcher Fiesling?
Eben deswegen! Ich hatte, grundsätzlich gesprochen, für alle meine Rollen Sympathie. Sogar mit Claggart in Brittens «Billy Budd», der nun wahrlich böse ist. Auch für den Ochs im «Rosenkavalier» habe ich eine Schwäche. Der ist ein Kind der Natur –...