Produktive Überforderung

Ein großartiger Dokumentarfilm porträtiert die Mannheimer Wagner-Werkstatt; den rätselklaren Freyer-«Ring» gibt es auf sieben DVDs

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Brünnhilde will nicht. «Heil, dir, Sonne!» drei, vier, fünf Meter über dem Boden? «Da kann ich nicht frei singen», sagt Judith Németh. Das Schwanken, der Schwindel, das Herzrasen. Schon der Blick auf die Gondel, in der die Walküre im dritten «Siegfried»-Akt aus der Tiefe auffahren soll, dem Liebeslicht entgegen, bis das wallende Brautkleid die Bühne füllt, macht die Sopranistin nervös. Ganz steif fühle sie sich in diesem Korb. Die Jungs von der Technik geben ihr Bestes, um ihre Flugangst zu zerstreuen. Kein Problem, alles stabil.

Man könne es fürs Erste ja mal mit ein paar Zentimetern versuchen, schlägt Achim Freyer vor. Schließlich steigt sie doch ein. Klavierhauptprobe im Nationaltheater Mannheim. Am Ende kriegt der scheinbar alterslose, ewigfrische Bühnenmagier, der hier, aus dem Stand (nachdem Christof Nel kurz vor zwölf den Regieauftrag zurückgegeben hatte), seinen zweiten «Ring» stemmt, genau das grandiose Bild, das ihm für den ins schier Unendliche gedehnten Augenblick vorschweb­te, da Brünnhilde aus Wotans Feuerzauberschlaf erwacht.

Über zwei Jahre hat der Filmemacher Rudij Bergmann die Arbeit am Mannheimer «Ring» beobachtet. Hat mit Solisten und Statisten gesprochen. Sich ...

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Opernwelt September/Oktober 2015
Rubrik: Hören, Sehen, Lesen, Seite 46
von Albrecht Thiemann

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