Muskelspiele
Wenn es tagt, dann wendet sich auch der König der Sonne zu. Der Helligkeit, der Kraft, der Erkenntnis. Ein finales Dur-Aufgischten markiert die Lösung des inneren Konflikts, die Läuterung, das Heraustreten aus dem bisherigen Sein – und den Gegenpol zur dunklen Verführung zuvor. Eine Apotheose, in Nürnberg allerdings ein kurzer Schreckensmoment. Ein Scheinwerfer fällt herab, baumelt minutenlang am Kabel, sendet sein taumelndes Licht über Bühne und Parkett. Keine Panne, eine Konterkarierung. Das Leuchten, es kommt wie ein Versehen. Genauso wie der Müll, der aus dem Schnürboden regnet.
Das Ende ist hier nicht Aufbruch, sondern nihilistischer Stillstand.
Überhaupt tut Regisseur Lorenzo Fioroni viel, um Karol Szymanowskis süffigen, sündig oszillierenden «König Roger» alles Gefällige auszutreiben. Sizilien, der Handlungsort dieser «Bakchen»-Variante, bringt Fioroni auf Naheliegendes: Eine mafiöse Familie trägt anfangs ihren alten Paten zu Grabe. Der Ring des Toten geht über auf Roger, und Roxane leidet schwer am Gefangensein in der enggezurrten Clan-Struktur. Nürnbergs «König Roger» ist allerdings mehr als ein Generationendrama, mehr als eine Tragödie um familiäre Verkrustungen und ...
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Opernwelt Mai 2015
Rubrik: Panorama, Seite 46
von Markus Thiel
Wenn das so weitergeht, dürfte er irgendwann die Gestik ganz einstellen. Ein aufmunternder Blick, ein Handgelenksschlenker, im Ernstfall eine hochgezogene Augenbraue, das könnte dann reichen. Immer sparsamer wirkt das, was Christian Thielemann auf dem Podium macht: Die Verklärung des Handwerks hat bei ihm schon jetzt eine sehr entscheidende, sehr sichtbare Stufe...
Während Adam im Hotel «Eden» dem Auftrag nachkommt, fruchtbar zu sein, und Eva die Empfängnis mit glücklich-gluckernden Koloraturen quittiert, erklingt im Hintergrund die Choralzeile: «Lobe den Herren, der deinen Stand sichtbar gesegnet». Dass sein Stand weder sichtbar noch gesegnet ist, ärgert den zuschauenden Luzifer. Er hat nämlich kein Geschlechtsteil, würde...
Wenn nur das Glied nicht wäre, das da mit bacchantischer Heiterkeit über einer Feuertonne gegrillt wird. Überhaupt Hippolyts Kastration, die Artemis im Zuge der «Gliederrenke» an ihm vornimmt, die umgeschnallten Silikonbrüste. Das gehört zu diesen Dingen, die «keiner sehen will». Eine Henze-Oper, das ist eigentlich schon schwer genug. In der dritten Vorstellung von...
