Me, myself und die Gefängnispsychologin
Eine etwa 3 x 3 Meter große Gefängniszelle. Ein sprödes Klappbett. An die Wand gekettet. Dicke Gitterstäbe zwischen den beiden Menschen. Diese beiden Menschen: Das können in Béla Bartóks 1911 komponierter, 1918 in Budapest uraufgeführter Oper «Herzog Blaubarts Burg» nur der Herzog selbst und seine ihm zugetane Judith sein. Denn mehr Bühnenpersonal gibt es hier nicht. Dieses «personenarme» und doch fast immer be- und (neidisch?) entgeistert rezipierte Werk war jetzt am Theater Hagen zu erleben.
In einer Inszenierung, die einen nicht mehr – vielleicht nie wieder – loslässt
Regisseur Francis Hüsers – zugleich Intendant des Hauses – sieht das Schloss, die Burg, den Was-auch-immer-Ort als: Gefängnis. Als waschechtes – und als inneres Gefangenenlager des vermögenden, aber einsamen Herzogs. Hinter dem Gitter sehen wir Dong-Won Seo in Guantanamo-Orange. (Bühne und Kostüme stammen von Alfred Peter.) Seo wird im Verlaufe dieses Bartók-Nachmittages (nach der Pause kontrapunktiert die Tanzsparte des Hauses die Oper mit Bartóks Pantomime «Der wunderbare Mandarin») eine eindringliche, berührende, verstörende Leistung erbringen. Er verfügt über einen seriösen, leicht gaumig unterstützten ...
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Opernwelt März 2022
Rubrik: Im Focus, Seite 4
von Arno Lücker
Beinahe wäre hier eine zeitlose Inszenierung gelungen: keine Soldateska, keine Blutorgien, kein Sado-Sex in Unterwäsche. Aber so reaktionär wollte der Regisseur dann doch nicht sein, weswegen zumindest etwas Hospitalisierung geboten wird. Krankenhausbetten gehörten schon vor der Pandemie auf jede halbwegs anständige Bühne, Damiano Michieletto selbst benutzte diese...
Poetische Bilderwelten
Der strenge Blick täuscht. Im Gespräch zeigt sich Bibi Abel, die freie Kunst studierte, um dann den kühnen Weg als Multimedia-Entwicklerin einzuschlagen (und Teil des Künstler-Duos «fuck yourself» war) von ihrer charmantesten Seite, die einhergeht mit einem erkennbaren Hang zur Melancholie. So sind auch ihre Videos, die sie für Schauspiel-...
Ein pianissimo ist ein pianissimo ist ein pianissimo? Im vorliegenden Fall ist es die um ein My leisere Variante, ein pianopianissimo. Fast unhörbar, wie aus weiter Ferne, so als sei sie Ankündigung des nahenden Todes, erklingt die Linie der Violoncelli und steigt sie eine Oktave hinab, vom kleinen e zum großen E, dessen Erscheinen die Leere der Welt bekundet (wie...