Materialschlacht
Im Gleichschritt des Gänsemarschs und mit tief gebeugten Rücken trippeln die Mägde auf einem schräg in den Bühnenboden gerammten Zylinder. Darauf ist ein Drehbühnenumlauf eingerichtet, dessen Bewegungsrichtung die schwarz uniformierten Damen stets stramm entgegengehen, wodurch sie im Ergebnis jedoch kaum vom Fleck kommen.
Die unmenschlichen, dezidiert tierischen Haltungen ihrer noch dazu angeleinten Körper lassen an die Praktiken jener Erniedrigung denken, wie sie in den jegliche Individualität tötenden Diktaturen aller Arten üblich waren und auch heute noch in einschlägigen Straflagern in China oder Guantanamo an der Tagesordnung sind. Über der hoch schwebenden, gefährlich geneigten Plattform dieser Gesellschaft des Grauens bewegt sich ein auf- und abfahrendes Gestänge, das einem riesigen Teleskop des staatstragenden Sicherheitsapparats gleicht. Big brother is watching you. Oder: Klytämnestra und die ihr unterstehende perfekte Technik der Unterdrückung haben den Laden im Griff.
Es ist eine Ästhetik der Überwältigung, auf die Ulrich Rasche in seiner ersten Operninszenierung setzt. Im Schauspiel arbeitet der Regisseur und Bühnenbildner in Personalunion mit seinem choreografisch ...
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Opernwelt März 2022
Rubrik: Im Focus, Seite 16
von Peter Krause
Eigentlich liegt die Frage auf der Hand: Was passiert, nachdem der Vorhang gefallen ist? Wie wird Rigoletto damit umgehen, dass ihm das einzig verbliebene Glück geraubt wurde? Die famos-furiose «Rigoletto»-Inszenierung an der Oper Halle setzt hier an – im Danach. Der traurige Titelheld ist traumatisiert vom Blick in den Leichensack, vom Blick auf seine ermordete...
Opernkritiker zu sein, das bedeutet manches Mal, mit dem eigenen Zynismus klarkommen zu müssen; mindestens aber mit dem Zynismus, der irgendwie in der Luft liegt, wohnt man einer Premiere an einem «großen» Hause bei. Diese Mischung aus Voreingenommenheit, Müdigkeit und vorauseilender Schadenfreude – wir kennen sie alle. Seien wir ehrlich.
Dieser Zynismus ist an so...
Bevor der erste Ton zu hören ist, hat die Aufführung längst begonnen. Von einem Kameramann beobachtet, ist ein kleines Mädchen zu sehen. Auf einem Steg, den Pia Dederichs und Lena Schmid hinter den ersten Sitzreihen quer durch den Saal gebaut haben, entsteht unter ihren Händen eine Osteria im Mini-Format. Erst als sie fertig ist, kann John Falstaff hineinpoltern in...