Kleine Wunder
Wer an die vergangene Saison denkt, muss von Leid sprechen. Am 1. März 2020 hatte eine «Winterreise» an Stuttgarts Staatsoper Premiere. Wie immer dabei der hochgewachsene Unternehmer und Mäzen Helmut Nanz, Vorsitzender der Bachakademie, Förderer des Stuttgarter Kammerorchesters, Sammler von Mozart-Autografen. Gut gelaunt tauschte der 76-Jährige mit vielen ein paar Worte, winkte quer durchs Opernparkett Bekannten zu. Berührungsängste waren Nanz fremd. Ein sympathischer Zug, der tragische Folgen hatte.
Zehn Tage nach diesem Schubert-Abend waren wegen des sich ausbreitenden Coronavirus alle Museen und Musentempel geschlossen, am 15. April war Helmut Nanz tot. Gestorben an den Folgen einer SARS-CoV-2-Infektion. Ein halbes Jahr vorher noch war er mit seinen Söhnen auf den Kilimandscharo geklettert. Er ist eines von vielen Gesichtern der Pandemie: wie Ismael Ivo, Alexander Wedernikow, Jewgeni Nesterenko, Graham Vick – Tänzer, Dirigenten, Sänger und Regisseure, die starben.
Manche fürchteten, auch Oper, Ballett und Konzerte würden nicht überleben. Sie behaupteten sich, mal energischer, mal resignierter. Im Netz war nie so viel (umsonst) zu sehen und zu hören. Und als zwischendurch im ...
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Opernwelt Jahrbuch 2021
Rubrik: Umfrage Kritikerstatements, Seite 133
von Götz Thieme («Stuttgarter Zeitung», Stuttgart)
Im Unterschied zu Europa nimmt Russland die Zahl der an Corona Erkrankten und der Todesfälle nicht zur Kenntnis. Die Theater spielen schon lange wieder vor halb besetzten Häusern, und die Zuschauerinnen und Zuschauer tragen schon lange keine Masken mehr, ohne sich dafür zu schämen.
Während des Lockdowns waren die Streamingangebote für die Opernfans die größte...
Sie konnten nur selten miteinander, vor allem aber nicht ohne einander. Seitdem es die Gattung Oper gibt, suchten Komponisten (gerne auch mal verzweifelt) nach Librettisten, die geeignet waren, ihre (also: der Komponisten) Visionen mit Text gleichsam zu «unterfüttern», zu beleben, zu erleuchten. So manches Genie war darunter, man denke nur an den großen Metastasio...
«Ihre Art entspricht so sehr der meinen, wir sind füreinander geboren und werden sicher Schönes zusammen leisten, wenn Sie mir treu bleiben …» Dieses schrieb nicht etwa, errötend, ein Jüngling seiner Angebeteten ins Stammbuch. Sondern ein pragmatischer, als hemdsärmelig geltender Komponist, von Thomas Manns Adrian Leverkühn als «begabter Kegelbruder» bezeichnet, im...