Kapitulation im Kostüm
Von Rued Langgaard, Dänemarks genialischem Querdenker und -schreiber, gibt es vier oder fünf Werke, die international mehr Beachtung verdient hätten. Seine Oper «Antikrist» gehört nur bedingt dazu. Sie ist eine apokalyptische Rettungsoper, ein Mysterienspiel und folglich kompliziert auf die Bühne zu bringen; das Libretto ergibt keine dramaturgisch sinnvolle Handlung. Musikalisch lebt der «Antikrist» auch zu stark von Einschüben aus früheren Werken, nämlich aus der epochalen, Ligeti um fünfzig Jahre vorwegnehmenden «Sfærenes musik» und der sechsten Symphonie.
Mit diesen Selbstzitaten bestreitet Langgaard das hypnotisierende Vorspiel der Oper und den seraphischen Schlusschor; dazwischen liegt eine Stunde nicht sehr inspirierter Bruckner- und Wagner-Adaptionen; da alles Ariose vermieden ist, können die allegorischen Gestalten (Die große Hure, Die Lüge, Der Hass und so weiter) dem sonderbaren Stück auch keine vokalen Glanzlichter aufsetzen.
Dabei ist die Idee zu diesem eschatologischen Varieté eigentlich vielversprechend. Luzifer hat, mit Gottes Duldung, den Antichrist heraufbeschworen, der sich in verschiedener Gestalt den Menschen offenbart. Irrglaube, Materialismus und Nihilismus ...
Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo
Sie sind bereits Abonnent von Opernwelt? Loggen Sie sich hier ein

- Alle Opernwelt-Artikel online lesen
- Zugang zur Opernwelt-App und zum ePaper
- Lesegenuss auf allen Endgeräten
- Zugang zum Onlinearchiv von Opernwelt
Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Opernwelt März 2022
Rubrik: Panorama, Seite 42
von Volker Tarnow
Eigentlich liegt die Frage auf der Hand: Was passiert, nachdem der Vorhang gefallen ist? Wie wird Rigoletto damit umgehen, dass ihm das einzig verbliebene Glück geraubt wurde? Die famos-furiose «Rigoletto»-Inszenierung an der Oper Halle setzt hier an – im Danach. Der traurige Titelheld ist traumatisiert vom Blick in den Leichensack, vom Blick auf seine ermordete...
Sant’ Andrea della Valle, Palazzo Farnese, Engelsburg: Wer könnte diese ikonografischen Orte nicht sofort vor seinem inneren Auge abrufen, wenn er von «Tosca» hört? Und wie sollte, im Rom um 1800, die Handlung anders ablaufen als von Puccini und seinen Librettisten notiert? Aber ist «Tosca» ein derart «veristisches» Werk, dass es der Originalschauplätze überhaupt...
Damals, 2003, mussten denkfähige Opernregisseure statt irrlichternder Shitstorms im Netz noch richtig analoge Protestgewitter aushalten, wenn sie die Sehgewohnheiten traditioneller Opernbesucher angegriffen hatten oder wenn sich politische und religiöse Gruppierungen durch widerständige Theaterideen ideologisch diskreditiert fühlen durften. Hans Neuenfels, der sich...