Immer auf der Suche bleiben

Wir brauchen wieder Visionen, findet Johannes Martin Kränzle. Und ein innigeres Verhältnis zum Text. Der Bariton selbst ist hierfür ein leuchtendes Beispiel. Seine Darstellungen, sei es Beckmesser in Köln, «N.» in Wolfgang Rihms «Dionysos» bei den Salzburger Festspielen oder Alberich im Mailänder bzw. Berliner «Ring», sind durchdrungen von sprachlicher und sängerischer Intensität. Manchmal lohnt es eben doch, sich Zeit zu nehmen für eine Karriere.

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Herr Kränzle, seit Längerem wird eine Krise des Wagner-Gesangs beklagt. Bemängelt wird unter anderem fehlende Textverständlichkeit. Betrachtet man in diesem Zusammenhang die «Rheingold»-Produktion der Berliner Staatsoper am Schiller Theater, in der Sie den Alberich singen, gibt es drei Möglichkeiten. Erstens: Sie sind einfach gut. Zweitens: Daniel Barenboim sorgt dafür, dass die Staatskapelle leise genug spielt. Oder drittens: Die Akustik im Schiller Theater ist so beschaffen, dass man alles versteht.
Wahrscheinlich stimmen alle drei Punkte (lacht).

Wesentlich scheint mir vor allem der zuletzt genannte Aspekt. Während die Akustik in der Mailänder Scala, wo wir «Rheingold» in der gleichen Besetzung realisiert haben, schwierig war, ist im Schiller Theater alles einfacher. Dort gibt es eine Abdeckung, die den Orchesterklang fürs Publikum etwas wegnimmt, für uns hingegen enorm zuträglich ist. Was die Balance angeht, könnten viele Stadttheater das ebenso leicht bewerkstelligen: Es ist nur eine kleine Holzbrüstung, die in den Orchestergraben hineinragt. Der direkte Klang der Blechbläser wird damit abgeblockt, und es entsteht sogar eine Art Bayreuth-Gefühl. Überdies ist aber auch Daniel ...

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Opernwelt Januar 2011
Rubrik: Interview, Seite 22
von Jürgen Otten

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