Im Zwiespalt
Im Genfer Programmheft sieht man die Sängerinnen der Elektra wie auf einer Perlenschnur aufgereiht – wenn die zarte Metapher für die Schwergewichte vergangener Tage überhaupt zulässig ist. Annie Krull, die den monströsen Part für die Dresdner Uraufführung in wenigen Wochen lernen musste, mit wirren Haaren; Zdenka Faßbender, die erste Münchner Elektra, mit bösem Blick; eine verträumte Rose Pauly, schließlich die Heroinen der Nachkriegszeit: Goltz, Varnay, Nilsson, Marton. Alles Geschichte.
«Kennen Sie heute eine gute Elektra?», fragt mich jemand im Foyer, das den Brand des Grand Théâtre von 1951 in alter Pracht überlebte. Doch wo gibt es noch die Idealbesetzung, der die Zartheit des verachteten Kindes und die lodernde Leidenschaft zum Untergang, immense Kraft und eine reiche Farbpalette zu Gebote stünden? Eva Marton – vielleicht die Letzte, die diese Eigenschaften vereinte – schleppt sich an diesem Abend nurmehr als Erinnerung über die Bühne: eine schwerfällige Klytämnestra ohne neurotische Intensität, deren schartige Stimme die Male des Alters verrät.
Da macht Elektra schon bessere Figur. Jeanne-Michèle Charbonnet kriecht in Christof Nels Lesart des Dramas nicht aus dem Kot ...
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Opernwelt Januar 2011
Rubrik: Panorama, Seite 41
von Michael Struck-Schloen
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Angesichts der landauf, landab grassierenden «Ring»-Neuinszenierungen hat es eine jede immer schwerer, sich als unverwechselbar zu annoncieren. Die jüngste Gemeinschaftsproduktion des Pfalzbaus Ludwigshafen und der Oper Halle (zugleich mit dem «Ring»-Gewinn hat diese den Verlust ihres Kindertheaters zu verbuchen) versucht’s mit dem originalen Richard-Wagner-Aus-...
Unser Stimmklang wird durch die perfekte Koordination von Atmungs-, Kehlkopf- und Artikulationsbewegungen erzeugt, Bewegungen, die zu den komplexesten gehören, zu denen der Mensch fähig ist. Und doch hat die Tonproduktion ein physiologisches Zentrum, das oft mit der gesamten Stimme gleichgesetzt wird: die Stimmbänder, die physiologisch zutreffender eigentlich...