Im Zweifel gegen den Angeklagten
«Wie man wird, was man ist» – Friedrich Nietzsches Sentenz wird im Sammelband von Jürgen Schläder und seinen Studenten allein auf die Gründungsgeschichte der Bayerischen Staatsoper und auf die Zeit zwischen der Weimarer Republik und den späten 1960er-Jahren bezogen. Der Leser aber gewinnt auf fast jeder Seite den Eindruck, hier liege eine Geschichtsschreibung ex cathedra vor.
Schläder und Dominik Frank, sein getreuer Paladin im Gestrüpp einer politisch äußerst korrekten Analyse, beschreiben die politisch problematische, ästhetisch fragwürdige Ära Clemens Krauss/Rudolf Hartmann, als säßen sie zu Gericht über all jene, die durch ihre Arbeit in den 1930er- und 1940er-Jahren, im Sinne einer Kollektivschuld, per se auf die Anklagebank gehörten. Dass Krauss und Hartmann als hitlernahe Karrieristen und Opportunisten charakterisiert werden, ist richtig. Doch verkennt die Verdammnis all jener Protagonisten der Nazizeit, die sich, wie Hartmann, glücklich in die Nachkriegszeit retteten, den dialektischen Sinn der Arbeit an Kunstwerken und ihrer niemals homogenen Rezipienten. Nichts findet Gnade vor den arroganten Urteilen der Nachgeborenen: nicht die späten Strauss-Opern, die auf ihren ...
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Opernwelt April 2018
Rubrik: Hören, Sehen, Lesen, Seite 32
von Frank Piontek
Es dauerte ziemlich lange, bis der Opernbetrieb das Attraktionspotenzial, fast möchte man sagen: den impliziten Eventcharakter der Grand opéra à la Meyerbeer neuerlich erkannte. Seit rund zwei Jahrzehnten aber scheint das Eis gebrochen und damit auch der lange Arm des Antisemiten und Meyerbeer-Hassers Richard Wagner. Von Einfluss war dabei wohl auch der dank des...
Es gibt diese Geschichten. Geschichten, die so gehaltvoll ausgezirkelt, so zeitlos verrätselt sind, dass man sie immer wieder hören möchte. Wolfram von Eschenbachs große Erzählung über den Ritter Parzifal, der in die Welt hinauszog, um sich, seine Bestimmung und wohl auch das Glück zu suchen, ist so eine Geschichte.
Doch muss man sie reduzieren, humorisieren,...
Verfügen möge sie über ihn. Deutliche Beweise der Freundschaft kündigt er der Trojanischen Prinzessin gar an. Und missversteht doch den emotionalen Ausnahmezustand Ilias: Eine Vorahnung des «La ci darem la mano» blitzt da auf. Idomeneo und Ilia, auch das wäre eine Möglichkeit. Aufreizend gedacht ist das, prickelnd, und auch so inszeniert. Mehr wünscht man sich von...