Im Bann der Bilder

Jossi Wieler und Sergio Morabito spüren an der Oper Stuttgart in Bellinis «Puritani» die Logik des Wahns auf – mit Ana Durlovski als Elvira

Opernwelt - Logo

Bellinis «I puritani» spielen im England des 17. Jahrhunderts, wo Puritaner und Katholiken sich unversöhnlich im Bürgerkrieg gegenüber stehen. Elvira, die Tochter des puritanischen Gouverneurs, ist überglücklich, als sie erfährt, dass sie nicht Riccardo heiraten muss, sondern ihren Märchenprinzen kriegt, den katholischen Lord Arturo. Doch das schnelle Happy End wird zum Anlass einer tiefgreifenden Verwirrung, weil der Royalist in der belagerten Festung auf die gefangene, vom Tod bedrohte Königin Enrichetta stößt und mit der durch Elviras Brautschleier Getarnten flieht.

Elvira, die nicht begreift, vielleicht – das lassen Jossi Wieler und Sergio Morabito in ihrer bilderreichen Inszenierung offen – auch nur fantasiert, was ihr geschieht, wird wahnsinnig.

Mit der Logik der Realität ist diesem Stück nicht beizukommen, wohl aber mit der Freiheit des Traums und des Theaterspiels. Auf sie vertrauen Wieler/Morabito und entfesseln auf Anna Viebrocks genial verschachtelter Szene – einer ruinösen, jetzt als Versammlungsraum, aber auch als Abstellschuppen genutzten Kirche – eine präzis konnotierte, bis ins Letzte ausgefeilte Bilderflut, die das verschachtelte Ineinander von historischem Rahmen ...

Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo

Sie sind bereits Abonnent von Opernwelt? Loggen Sie sich hier ein
  • Alle Opernwelt-Artikel online lesen
  • Zugang zur Opernwelt-App und zum ePaper
  • Lesegenuss auf allen Endgeräten
  • Zugang zum Onlinearchiv von Opernwelt

Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Digital-Abo testen

Opernwelt September/Oktober 2016
Rubrik: Im Focus, Seite 36
von Uwe Schweikert

Weitere Beiträge
Bestandsaufnahmen, Appelle, Querbezüge

Der bei Con Brio erschienene Band «Wahnfried. Das Haus Richard Wagners» ist keineswegs, wie man vermuten könnte, ein Katalog der aktuellen Dauerausstellung samt entsprechender Einführung. Sven Friedrich, der amtierende Leiter des Museums, kommt gar nicht zu Wort. Die Herausgeber Markus Kiesel und Joachim Mildner suchen stattdessen die Außenperspektive – durchaus in...

Zwangsverwaltet

Gerade ist in Verona das Arena Opera Festival 2016 zu Ende gegangen. Wie so oft in den vergangenen Jahren erlaubte die angespannte finanzielle Situation nur einen eher müden Spielplan mit notdürftig auf­gepeppten Altinszenierungen der «Aida», «Carmen», «Turandot», «Traviata» und des «Trovatore». Als einzige Neuerung im Déjà-vu waren zwei Leuchttafeln für Untertitel...

Adler gegen Lerche

Berlioz, szenisch? Gab es in Moskau lange nicht. Im Bolschoi Theater dirigierte Alexander Vedernikov 2002 «La Damnation de Faust» – konzertant. Überdies fehlten ihm damals, wie er selbst befand, zwei Wochen Probezeit. Der aktuelle Generalmusikdirektor, Tugan Sokhiev, führte im April dieses Jahres in einem Galakonzert Berlioz’ Requiem auf, wobei zwar der Chor des...