Höllenfahrt am Horizont
Die Szene kennt man so auch aus Barrie Koskys wegweisender Inszenierung von Wagners «Meistersingern» bei den Bayreuther Festspielen.
Hermann Levi, der jüdische Uraufführungsdirigent des «Parsifal», wird vom Hofstaat des Komponisten gedemütigt: «Das Esszimmer der Wagners verzerrte sich in seinen Umrissen immer mehr und mehr zur bizarren Karikatur der Perspektiven eines Gemäldes, und seine rechtwinklige Form verschob sich vor seinem inneren Auge ins Schräge und Tiefe – derselbe Raum, in dem so viele geistvolle Gespräche stattgefunden, so viele Artigkeiten ausgetauscht, so viel Vertrauen geherrscht. Selbst die Bediensteten schienen höhnisch zu zischeln und sich in einem sonderbaren Ritual der Verachtung verschworen zu haben.» Wieder mal hat der Meister eine seiner antisemitischen Bomben platzen lassen, in Form eines Briefes, blöder Witze und dem bizarren Gedankengang, ob denn der jüdische Dirigent wohl das allerchristlichste Geheimnis seines letzten Werkes begreifen könne. All das ist historisch überliefert durch die boshaften Seiten in Cosima Wagners Tagebuch. Laurence Dreyfus hat es in seinem Roman «Parsifals Verführung» lediglich dokumentarisch literarisiert.
Auch an späterer ...
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Opernwelt Februar 2023
Rubrik: CDs, DVDs und Bücher, Seite 24
von Bernd Künzig
Die Frage ist exakt so alt wie die Geschichte der Musik selbst: Soll, darf, kann oder muss man sogar originale Kompositionen bearbeiten, arrangieren, umschreiben, um ihnen andere, neue Facetten hinzuzufügen? Gewinnt ein Klavierstück dadurch, dass man es in eine Fassung für Orchester gießt? Sind die Klangfarben womöglich reicher, wenn man ein Klavierquartett zur...
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