Hasenleber und Drachenschmerz
Wenn Madame hereingeschoben wird, ist die Wuppertaler Opernbühne schon fast voll. Knapp unter der Portalkante schwebt ihr zierlicher Kopf, ragt gerade noch sichtbar aus der tiefblauen Riesenrobe heraus, die ihr die Aura einer fernen Königin der Nacht verleiht. Doch diese wunderliche Majestät wünscht niemandem der Hölle Rache an den Hals, sie erzählt vielmehr eine uralte Geschichte, die in Korea früher jedes Kind kannte. Die Geschichte vom Hasen, der seine Leber hergeben soll, damit der kranke Drachenkönig im Meer wieder gesund wird.
Nur eine Hasenleber könne den König vor dem Tod bewahren, behauptet der Medizinmann. Doch kein Untertan aus dem Wasserreich will an Land gehen, um den Hasen zu holen. Der Goldbarsch nicht, die Alse nicht und auch der Frosch mit seiner Bauchtrommel nicht. Als sich endlich die Sumpfschildkröte auf die Reise macht und ihn mit fingierten Versprechungen ins Drachenreich lockt, dämmert Mister Rabbit, was da gespielt wird – und er führt seine Widersacher mit Witz, Intelligenz und grenzenloser Fabulierlust an der Nase herum. Nach und nach schlüpfen die menschlichen Tierfiguren aus Madame Pansoris Rockschoß, drollige Kinder ihrer blühenden Fantasie.
Wie alt die ...
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Opernwelt Februar 2012
Rubrik: Magazin, Seite 65
von Albrecht Thiemann
Das konnte nur anders, nur besser werden. Der Blick ins Archiv ruft geradezu grauslige Erinnerungen wach. 1971/72: erst Wagners «Tristan», vom einst großen Titelsänger Wolfgang Windgassen als Regisseur schmählich vertan, dann Gounods «Roméo et Juliette», auf der Szene desaströs vermurkst. Beide Male mit einem älteren Kapellmeister am Pult, der den Geist der Werke...
Opernaufführungen in bourgeoisem Ambiente anzusiedeln – vorzugsweise in Treppenhäusern bürgerlicher Villen – scheint en vogue. Claus Guth hielt dies schon öfter so, bei seinem «Fliegenden Holländer» in Bayreuth beispielsweise oder beim Salzburger «Figaro». Auch Mariame Clément verortete Rameaus «Castor et Pollux» in ähnlichem Ambiente, suchte den Dioskuren-Mythos...
Höchste Zeit für Tanz auf den Vulkanen, Operetten auf Opernbühnen. Das christliche Abendland geht nicht unter, wenn um die Weihnachtszeit an der Berliner Staatsoper Jacques Offenbachs rabiate Mythentravestie «Orpheus in der Unterwelt» gegeben wird, neben Märchen wie der «Zauberflöte». Und der bilderwütige Regisseur Philipp Stölzl allzu vieles und Vielfältiges...