Hänsel und Gräte

Fischiger Schlaf bei der Uraufführung von Eötvös’ «Sleepless» an der Staatsoper Berlin

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Eine Frau ist schwanger. Sie und ihr Lebensgefährte finden keine Bleibe. Dafür sterben aus Rache und/oder Verzweiflung ein paar der Leute, die nicht geholfen haben. Der Lebensgefährte ist offenbar der Täter und wird gehängt. Klingt banal, gibt es aber jetzt als Oper.

Die «Idee» zur «Handlung» der zweieinhalbstündigen Oper «Sleepless» von Péter Eötvös geht auf die Lektüre des ersten Bandes der «Trilogie» des norwegischen Autors Jon Fosse aus dem Jahr 2008 zurück.

Das Drama um das junge, arme, kindserwartende Paar Alida und Asle ist im Original möglicherweise voller Traurigkeit – und vor allem voller eindrücklicher Schilderungen von entweder unfreundlichen, sexuell aufdringlichen oder ständig besoffenen Norwegerinnen und Norwegern. Von dieser – Jon Fosse vorsichtshalber unterstellten – literarischen Subtilität ist in der Umsetzung bei Eötvös so gut wie nichts übriggeblieben. Wieder einmal geht die Bühnenadaption eines beliebten Romans aus jüngster Zeit in die – fischige – Hose. Menschliche Regungen, Charakterzüge, feine Zwischentöne der Kommunikation und Empathie ermöglichende Gefühlsbeschreibungen fallen komplett weg. Alles wird aalglattes Abziehbild und barsche Banalität. Franz ...

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Opernwelt Januar 2022
Rubrik: Im Focus, Seite 8
von Arno Lücker

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