Gotteskinder
Die Kombination ist dramaturgisch schlüssig: Zwei veristische Einakter, beide im Milieu katholischer Ordensfrauen angesiedelt, überdies ist jeweils ein verstorbenes Kind konstitutiv für die Handlung. Umberto Giordanos «Mese Mariano», 1910 am Teatro Massimo in Palermo aus der Taufe gehoben, führt in ein von Nonnen betriebenes Waisenhaus. Dorthin musste Carmela ihren kleinen Sohn abschieben, als Preis für die Heirat mit einem Mann, der kein unehelich geborenes Kind aus einer Vorgängerbeziehung unter seinem Dach duldet.
Die Mutter möchte den Sohn im Waisenhaus besuchen, der aber ist in der Nacht zuvor verstorben. Die Oberin des Instituts bedient sich einer barmherzigen Notlüge, indem sie der Mutter erklärt, das Kind sei verhindert, weil es gemeinsam mit den anderen Waisen die Lieder für den Marienmonat einübe, den Mese Mariano.
Für das Libretto formte Salvatore Di Giacomo sein eigenes Schauspiel gleichen Titels um. Zentrum des Werks ist die große Erzählung, in der Carmela der Oberin den traurigen Lebenslauf des Kindes schildert. Hierzu freilich fehlt Giordano der kompositorisch lange Atem. Regisseurin Lara Sansone spult die Geschehnisse schnörkellos, aber leicht betulich ab. ...
Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo
Sie sind bereits Abonnent von Opernwelt? Loggen Sie sich hier ein
- Alle Opernwelt-Artikel online lesen
- Zugang zur Opernwelt-App und zum ePaper
- Lesegenuss auf allen Endgeräten
- Zugang zum Onlinearchiv von Opernwelt
Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen
Opernwelt März 2022
Rubrik: Panorama, Seite 45
von Michael Kaminski
Dagmar Nick ist inzwischen 95 Jahre alt und lebt in München, in der Nähe von Schloss Nymphenburg. An einem Sonntagvormittag treffen wir auf eine humorvolle, geistig völlig fit gebliebene Dame, die uns ganze zwei Stunden an ihren wertvollen Erinnerungen teilhaben lässt. Diese Geschichten ruft Nick schneller und sicherer ab, als es ein junger Mensch vermag. Selbst...
In einem Essay aus dem Jahr 1978 mit dem Titel «Ins eigene Fleisch» entwirft Wolfgang Rihm das idealische Wesen und Sein seiner ästhetischen Existenz. Und er tut dies mit einer Selbstverständlichkeit, die das Übermäßig-Unbotmäßige seines Komponierens schon zu diesem relativ frühen Zeitpunkt evoziert: «Ich habe die Vorstellung eines großen Musikblocks, der in mir...
Wer die Schönheit sucht, wird in den Filmen dieses Künstlers nur fündig, wenn er sich auf eine lange Reise begibt, vom Licht ins Dunkel. Filme von Michael Haneke sind eine Zumutung. Sie verstören, sie sind – dafür genügt es schon, allein «Funny Games» von 1997 anzuschauen – imstande, binnen zwei Stunden jeglichen Glauben an die Menschheit verlieren zu lassen. Sie...