«Fremd bin ich eingezogen»
s ist kalt in Frankfurt. Knappe zehn Minuten nur dauert der Weg vom Hauptbahnhof bis zum Schauspielhaus: weißlicher Atemhauch aus Trinkerkehlen, blinkende Sex-Shop-Leuchtschriften, misstrauisch dreinblickende Passanten und gierige Krähen, die sich um halbverzehrte Döner balgen. Gefrorene Herzen, einsames Elend der Heruntergekommenen.
Und vorbeieilende Banker dazu, mit Knopf im Ohr: Wahrscheinlich hören sie sogar Schubert, «Schwanengesang» oder «Winterreise», neueste Aufnahme, Brendel-Goerne natürlich, wiegen ihr Gewissen im samtig pedalisierten Marschrhythmus, die eigene Rührung als Beweis nehmend, dass sie selbst eigentlich das Herz auf dem rechten Fleck haben, dass all dies Elend zwar schlimm, aber nun mal gottgegeben ist.
Vielleicht ist es tatsächlich Zeit, diese Lieder vor Musikmissbrauch zu schützen. Vielleicht kann die rein akustische Präsenz, auf CD ebenso wie in der neutralen Rahmung der klassischen Liederabend-Pose, die existenzielle Dringlichkeit der Schubert’schen Musik immer weniger vermitteln, läuft die Abrechnung mit der Welt Gefahr, zur sanften Seelenmassage aufzuweichen. Und vielleicht braucht es die zuspitzenden, verfremdenden Gewaltmittel der Bühne, damit ...
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Opernwelt Februar 2005
Rubrik: Thema: Szenische Liederabende, Seite 30
von Jörg Königsdorf
Die These, die dem neuen Hannoveraner «Tristan» zu Grunde liegt, ist durchaus beunruhigend: Könnte es sein, so scheint Joachim Schlömer sich und das Publikum den ganzen Abend über zu fragen, dass dieses Werk sich am Ende einer glaubwürdigen szenischen Realisierung grundsätzlich verweigert? Dass dort, wo es ohnehin nur um hemmungs- und grenzenlose Gefühle geht, jede...
Frau Jahns, Sie haben bereits Ende der achtziger Jahre in Dresden Schumanns «Liederkreis» auf die Bühne der Kleinen Szene gebracht. Damals war die Idee, Lieder als Mini-Opern zu interpretieren und zu visualisieren, etwas Neues. Was hat Ihr Interesse an szenischen Liederabenden ursprünglich motiviert?
Ich hatte eigentlich schon immer den Wunsch, mich beim Singen zu...
Herr Schindhelm, Ihr Amt als Generaldirektor der Opernstiftung bedeutet insofern Pionierarbeit, als in Berlin eine Entscheidung darüber fallen muss, wie sich Oper heute als Kunstgattung in der Gesellschaft definiert. Welche Position nehmen Sie da ein?
Eine ermöglichende. Direktoren sind dazu da, einem großen städtischen Publikum möglichst viel zu bringen,...
