«Fremd bin ich eingezogen»
s ist kalt in Frankfurt. Knappe zehn Minuten nur dauert der Weg vom Hauptbahnhof bis zum Schauspielhaus: weißlicher Atemhauch aus Trinkerkehlen, blinkende Sex-Shop-Leuchtschriften, misstrauisch dreinblickende Passanten und gierige Krähen, die sich um halbverzehrte Döner balgen. Gefrorene Herzen, einsames Elend der Heruntergekommenen.
Und vorbeieilende Banker dazu, mit Knopf im Ohr: Wahrscheinlich hören sie sogar Schubert, «Schwanengesang» oder «Winterreise», neueste Aufnahme, Brendel-Goerne natürlich, wiegen ihr Gewissen im samtig pedalisierten Marschrhythmus, die eigene Rührung als Beweis nehmend, dass sie selbst eigentlich das Herz auf dem rechten Fleck haben, dass all dies Elend zwar schlimm, aber nun mal gottgegeben ist.
Vielleicht ist es tatsächlich Zeit, diese Lieder vor Musikmissbrauch zu schützen. Vielleicht kann die rein akustische Präsenz, auf CD ebenso wie in der neutralen Rahmung der klassischen Liederabend-Pose, die existenzielle Dringlichkeit der Schubert’schen Musik immer weniger vermitteln, läuft die Abrechnung mit der Welt Gefahr, zur sanften Seelenmassage aufzuweichen. Und vielleicht braucht es die zuspitzenden, verfremdenden Gewaltmittel der Bühne, damit ...
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Opernwelt Februar 2005
Rubrik: Thema: Szenische Liederabende, Seite 30
von Jörg Königsdorf
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Verzwickt ist diese Causa, von ridiküler Narretei nicht frei und durchaus typisch für das politisch problematische Verhältnis zweier Nationen zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Und am allerwenigsten die Protagonisten selbst waren es, die den Fall «Salomé» in jenen Bereich des Zwischenmenschlichen hinabzwängten, wo man sich nur noch eines wünscht: Fiat justitia,...
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