Gebäude ohne Fugen
Verzwickt ist diese Causa, von ridiküler Narretei nicht frei und durchaus typisch für das politisch problematische Verhältnis zweier Nationen zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Und am allerwenigsten die Protagonisten selbst waren es, die den Fall «Salomé» in jenen Bereich des Zwischenmenschlichen hinabzwängten, wo man sich nur noch eines wünscht: Fiat justitia, pereat mundus.
Kurz die Geschichte: Da nehmen sich gleich zwei Komponisten unabhängig voneinander ein und dasselbe Sujet vor, um es zu vertonen – Oscar Wildes biblisch umflortes, gesellschaftszynisches Drama «Salome». Der eine, Richard Strauss, ist Teutone und etabliert, der andere, Antoine Mariotte, Franzose und nur Eingeweihten in der Heimat ein Begriff. Was künstlerisch noch anginge als ein Wettstreit zweier Künstler, wird zur Krux aus juristischen Gründen: Der deutsche Verlag Fürstner allein ist im glücklichen Besitz der Aufführungsrechte für das Drama, was (s)eine musikalisierte Verwertung angeht. Und er verbietet, wiewohl Strauss einzulenken bereit wäre, nach der Taufhebung der Mariotte’schen Vertonung am 30. Oktober 1908 in Lyon strikt weitere Aufführungen. Die Partitur landet, welche Ironie des Kunstwerkschicksals, ...
Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo
Sie sind bereits Abonnent von Opernwelt? Loggen Sie sich hier ein
- Alle Opernwelt-Artikel online lesen
- Zugang zur Opernwelt-App und zum ePaper
- Lesegenuss auf allen Endgeräten
- Zugang zum Onlinearchiv von Opernwelt
Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen
Der ultimative «Eugen Onegin» ist dieser Mitschnitt aus der Wiener Staatsoper nicht, er hält lediglich ein regionales Ereignis fest: die mit berühmten Stimmen besetzte erste Wiener Aufführung der Oper in der russischen Originalsprache.
Das Unternehmen krankt schon vom Pult aus. Seiji Ozawa sucht das, was er für «russische Seele» hält, durch lähmend langsame Tempi...
Man kann leicht über Franco Zeffirellis Wiener «Carmen»-Inszenierung spotten, über den Aufwand – Kulissen, 500 Mitwirkende und acht Pferde –, der umgekehrt proportional zur inhaltlichen Leere der szenischen Deutung steht. Doch eines muss man Zeffirelli lassen: Als Filmregisseur der Live-Übertragung hat er den Dirigenten, weit über das übliche Maß hinaus,...
Grabbes Farce von Scherz, Satire und Ironie ist, wie der Hinweis auf die «tiefere Bedeutung» andeutet, eine ernste Angelegenheit. Es ging in diesem Vormärz-Produkt des schwerblütigen ostwestfälischen Sturmgenies und Kampftrinkers um Kritik am deutschen Idealismus und dessen Menschenbild, um die Ironisierung Goethes und des Bildungssystems von anno 1830.
Das eiserne...
