Erfreuliche Alternative
Meine Güte, hat denn je einer mit clemenza Wahlen gewonnen? Trotz Ciceros Meinung, nichts zieme einem großen Manne mehr als Versöhnlichkeit und Milde, wurde diese Eigenschaft schon zu Römerzeiten vermutlich als Domäne der Schwachen empfunden. Auch in Mozarts «La clemenza di Tito» herrscht Zwiespalt, und die Musik verweist keineswegs auf jene Milde, die der Titel suggeriert. Denn der Genius hatte, obwohl er aus Anlass der Huldigung für Leopold II.
die alten Formen der Opera seria noch einmal hervorkramen musste, durchaus Doppeldeutiges und Widerhaken eingebracht. «Ungewöhnlich hell, klar, ja scharf ist der Ton der Musik, der nichts entgeht», schrieb der bedeutende Dramaturg (und Professor) Gerd Rienäcker anlässlich der legendären Inszenierung von Ruth Berghaus 1978 an der Staatsoper Berlin. Diese hatte damals festgestellt, Titus’ vermeintliche Güte könne nicht zuletzt als politisches Kalkül im Zeichen einer deutlichen Konfliktbeladenheit verstanden werden.
Dass dies auszudrücken auch auf der Hörbühne möglich ist, haben – jeder auf seine Art – unter anderen John Eliot Gardiner (1990), Nikolaus Harnoncourt (1993), Sylvain Cambreling und speziell René Jacobs (beide 2005) in ihren ...
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Opernwelt Februar 2023
Rubrik: CDs, DVDs und Bücher, Seite 20
von Gerhard Persché
Für einen Moment glaubt man, alles hätte auch eine andere Abzweigung nehmen können, ohne Schwan, Gottfried und Gralserzählung. Immer wieder werden Kerle an die Rampe geschoben – Zwangsfreiwillige als Stellvertreter Elsas im Kampf gegen den Ankläger Telramund. Doch mit Händen und Füßen wehren sie sich erfolgreich und lenken, ein Regiekniff, dabei vom rechten...
Die Szene kennt man so auch aus Barrie Koskys wegweisender Inszenierung von Wagners «Meistersingern» bei den Bayreuther Festspielen. Hermann Levi, der jüdische Uraufführungsdirigent des «Parsifal», wird vom Hofstaat des Komponisten gedemütigt: «Das Esszimmer der Wagners verzerrte sich in seinen Umrissen immer mehr und mehr zur bizarren Karikatur der Perspektiven...
Menschen tendieren gelegentlich zu Dummheit und Spießigkeit. Doch: kein Grund zur Aufregung! Oder: wenn Aufregung, dann im Opernhaus! Philippe Boesmans jedenfalls erfüllte sich mit seinem letzten Werk den lang gehegten Wunsch nach einer komischen Oper. Mit seinem Stammhaus, dem Théâtre La Monnaie, durch vier Jahrzehnte und ein halbes Dutzend Uraufführungen eng...